Erdig und schön: Ein Herbstteller mit Musik von Ernst Molden.

In der Küche ist es manchmal wie in der Musik: Man nehme wenige, einfache Zutaten von höchster Qualität, etwas Übung und viel Hingabe, und schon gelingen die besten Ergebnisse. Etwa beim goldenen Herbstteller, den ich heute serviere. Und bei der Musik des österreichischen Liedermachers Ernst Molden. Diese Kombination stärkt in Hinblick auf die kalte Jahreszeit. Und sie macht Mut, wenn sich politische Abgründe auftun. „Ka schwaare Zeid wird uns unterkriagn“ singt Molden in seinem neuen Album. So ist es! Von wegen Sättigungsbeilage Qualität, Übung und Hingabe sind auch die Hauptzutaten eines Gerichts, das im Probelokal zu den Dauerbrennern gehört: Bratkartoffeln. Für die Wiener unter Ihnen: Ich meine Erdäpfel. Und für die Vorarlberger sind es natürlich Grumpara. Eine Bitte vorweg: Verunglimpfen Sie die Knollen niemals als „Sättigungsbeilage“. Diesem Unwort aus längst ausgeblichenen Kochbüchern der 70er werden sie nicht gerecht. Kartoffeln sind vielmehr die Stars am Teller, egal ob als hausgemachte Kroketten, gefüllte Knödel oder Püree. Sie werden im Probelokal noch oft von solcherlei lesen. Heute also Bratkartoffeln. Ich habe lange gebraucht, bis sie so knusprig werden, dass die Kinder versuchen, sie bei der Zubereitung sogar unter Verbrennungsrisiko und Androhen von Nachtisch-Sanktionen mit den Fingerspitzen aus der Pfanne zu stibitzen. Eine der höchsten Auszeichnungen für den Hobbykoch, mindestens gleichrangig wie der Michelin-Stern für den Profi.
Meine Tochter liebt das Kartoffel-Ernten
Das Geheimnis knuspriger Bratkartoffeln Die Kartoffeln sollten festkochend und von hoher Qualität sein. Sie werden am Vortag des Festessens gewaschen und ungeschält in gesalzenem Wasser gekocht, abgeseiht und kalt abgeschreckt. Am Folgetag, wenn sie ausgekühlt und trocken sind, werden sie geschält und in Scheiben geschnitten, während eine große Bratpfanne – besser zwei – mit einem Schuss Rapsöl und einem Löffel Butterschmalz auf mittlere Temperatur erhitzt wird. Dass Veganer nur das Öl verwenden, muss ich nicht erwähnen – die veganen Gäste des Probelokals haben schließlich Hausverstand. Dann legen Sie die Kartoffelscheiben in die Pfannen. Ganz wichtig: Niemals aufeinander stapeln! Jede der stolzen Kartoffelscheibe will ihr eigenes Plätzchen an der Hitze. Wie die Urlauber mit ihren Handtüchern am Strand von Jesolo. Deshalb die zwei Pfannen. Dann brauchen Sie Geduld. Erst nach einigen Minuten, wenn die Scheiben langsam beginnen, an der Unterseite etwas Farbe anzunehmen, dürfen sie einzeln gewendet werden.
In zwei Pfannen findet jede Scheibe ihr Plätzchen
Bald färbt sich auch die Rückseite leicht bräunlich. Das dauert wieder ein paar Minuten, die eine Ewigkeit sein können, wenn der Magen knurrt. Widerstehen Sie der Versuchung, den Garvorgang zu beschleunigen, es braucht wirklich jede Minute. Langsam steigern Sie die Temperatur ein wenig und erreichen bald Ihren gewünschten Bräunungsgrad. Am Ende wird gesalzen und gepfeffert. Je nach Lust, Laune und Konstitution des Gewürzschrankes kommt zur Krönung noch eine kräftige Prise geräuchertes Paprikapulver darüber. Ich schwöre darauf. Glaubwürdige Pilze Dazu passen frische, scharf angebratene Pilze. Diese vermögen die Kartoffeln übrigens glaubwürdiger aufzuwerten, als die Liste Pilz bislang das österreichische Parlament. Falls Sie im Wald keine gefunden haben oder zu faul sind, um welche zu suchen, greifen Sie einfach zu Bio-Champignons vom Markt, die Sie in Scheiben geschnitten in Olivenöl scharf anbraten, salzen, pfeffern und mit ein paar Tropfen Zitronensaft ablöschen. Etwas frischer Thymian dazu wäre noch optimal. Kürzlich hatte ich Appetit auf Speckwürfel, die ich mit den Pilzen scharf anbriet und über die Kartoffeln streute. Ein anderes Mal waren es geröstete Zwiebeln – finden Sie heraus, was Ihnen das Wasser im Mund zusammen laufen lässt! Lieblingssalat als Draufgabe Vollendet wird das Gericht mit einem Salat aus steirischen Käferbohnen. Der ist auch solo, nur mit etwas Brot, eines der feinsten Gerichte, das ich kenne. Vielleicht liegt es daran, dass mein Vater in der wunderbaren Südsteiermark auf die Welt gekommen ist. Natürlich auch am Biss und der feinen Süße, die mich an gebratene Kastanien erinnert. Oder – um auch ein wenig Vernunft in die Geschichte zu bringen – weil ich gelesen habe, dass die ballaststoffreichen Hülsenfrüchte wertvoll für die Ernährung sind, da sie eine Menge Eiweiß, Vitamine und Mineralstoffe liefern. Sie können die Bohnen selbst einweichen und kochen. Bei mir in der Küche steht stets ein Vorrat an Dosen für den spontanen Hunger bereit. Entscheidend ist die Marinade (siehe Zutaten), die mit viel Kürbiskernöl in großzügigem Ausmaß gerührt wird. In einer Schüssel, die Sie im Idealfall noch dezent mit einer Knoblauchzehe ausreiben, werden die Bohnen mariniert. Beim Servieren dürfen kleine Zwiebelringe nicht fehlen.
Auch solo mit Brot ein Traum: Käferbohnensalat in der Herbstsonne
Die Marinade ist auch der ideale, herbstliche Dip für die knusprigen Kartoffeln. Manchmal, wenn ich kein schönes Foto brauche, werfe ich Bohnen, Pilze und Bratkartoffeln kurzerhand zusammen in die Marinade und rühre kräftig durch. Herrlich, wie dieser Kuddelmuddel-Salat schmeckt. Aber den mäßig appetitlichen Anblick erspare ich Ihnen. Die Musik zur Zubereitung Bei der Zubereitung dieses österreichischen Veggie-Tellers begleiten mich drei Alben des großartigen Musikers und Schriftstellers Ernst Molden. Einmal wurde er von einem Journalisten als Leonhard Cohen von Wien bezeichnet. Für mich ist es umgekehrt, Leonhard Cohen war für mich eher der Ernst Molden von Los Angeles. Nichts für ungut, liebe Cohen-Fans. Die Großmutter von Ernst Molden, Paula Preradovic, hat übrigens den Text der österreichischen Bundeshymne geschrieben. Das kann auch nicht jeder von sich behaupten. Moldens Lieder passen zum Herbst und sind für mich so echt, eingängig und geerdet wie die Zutaten dieses Tellers. Etwa beim herbstlichen Lied „Septemba“, das er auf dem Album „Ho Rugg“ mit seinem Kompagnon Willi Resetarits auf unnachahmliche Weise spielt. Es ist ein Lied der Dankbarkeit, wie er einmal betonte. Kürzlich erlebte ich Ernst Molden in einem Konzert mit dem Liedermacher Nino aus Wien. Die beiden haben 2015 das Album „Unser Österreich“ veröffentlicht, auf dem sie Austropop-Klassiker von Wolfgang Ambros, Georg Danzer oder Falco interpretieren. In der Anmoderation des Konzertes kündigten sie augenzwinkernd einen Abend mit „depressivem österreichischen Liedgut der letzten Jahrzehnte“ an. Unterbrochen von einem „Euphorie-Block“, der nur aus einem einzigen Titel bestand: Nämlich „Und dann bin i kan Liliputaner mehr“ von André Heller. Am Tag des Konzerts habe ich gelesen, dass Heller das Urania-Puppentheater in Wien gekauft hat. Damit sichert er den Fortbestand von Kasperl und Pezi. Hurrra!
Ein herbstlicher Abend der Sonderklasse: Der Nino aus Wien und Ernst Molden live
Ein anderes Österreich „Hurra“ – so jubelt nicht nur Pezi, so heißt auch das neue Album von Ernst Molden. Darauf covert er mit dem Titel „Schwaare Zeid“ eine meiner Lieblings-Sängerinnen aus der amerikanischen Folk-Szene, nämlich Gillian Welch. Sie spielt es unter dem Titel „Hard Times“ mit ihrem Banjo. Und dann geht Ernst Molden her und interpretiert in breiter Wiener Mundart dieses Lied. Nur singt er eben statt von den „Hard Times“ von der „Schwaaren Zeid“, die ihn nicht unterkriegen wird: „Z’erst trinkens Deine Tränen und dann saufens Dein‘ Wein, aber einmal, wirst sehen, wer’n ma im Himmel sein.“ Auch wenn es gelegentlich eine „Schwaare Zeid“ ist, wenn sich politische Abgründe auftun und Menschen gegeneinander aufgebracht werden – wenn ich an die beseelte Musik dieses Landes denke, an die feinen österreichischen Zutaten dieses Herbsttellers, oder daran, dass sogar Kasperl und Pezi Solidarität erfahren, wenn es darauf ankommt – dann merke ich, welche Fülle, Lebendigkeit und Kreativität in diesem Land liegen. Ich glaube, wir sind schon viel weiter, als die Angstmacher meinen. Zutaten für zwei sehr hungrige oder vier hungrige Gäste: Bratkartoffeln: 1 kg festkochende Kartoffeln, ein paar Esslöffel Rapsöl und Butterschmalz, Salz, Pfeffer und – wer will – geräuchertes Paprikapulver Pilze: 500 Gramm frische Pilze, zB Bio-Champignons, zwei Esslöffel Olivenöl, wenig Zitronensaft, Salz, Pfeffer, evtl. frischer Thymian (je nach Lust und Laune auch gebratene Speck- oder Zwiebelwürfel, kommt darauf an, was Sie nach dem Essen noch vorhaben!)  Käferbohnensalat: Für die Marinade: 1 Teelöffel Senf (möglichst Krensenf), etwas Salz, Pfeffer und Zucker, 2 Esslöffel Apfelessig, 2 Esslöffel Rapsöl, 2 Esslöffel Kürbiskernöl, 1 Schalotte; dazu zwei Dosen steirische Käferbohnen (gerne auch selbst gekocht), evtl. eine Knoblauchzehe zum Ausreiben der Schüssel Musikalben: „Ho Rugg“ von Ernst Molden, Willi Resetarits, Walther Soyka und Hannes Wirth aus dem Jahr 2014; Label Monkey „Unser Österreich“ von Ernst Molden & Der Nino aus Wien aus dem Jahr 2015; Label Monkey „Hurra“ von Ernst Molden mit Andrej Prozorov, Willi Resetarits, Walther Soyka, Karl Stirner, Ursula Strauss, Hans Theessink und Hannes Wirth aus dem Jahr 2018; Bader Molden Recordings

Post Author: Dan

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