
Bitte nicht verschlucken
Beim Servieren dieser Frühlings-Spezialität muss ich unweigerlich an Thomas Bernhard denken. Denn in seinem Theaterstück „Ritter, Dene, Voss“ verschlingt der psychisch kranke Philosoph Ludwig Worringer jede Menge Brandteigkrapfen. Fast verschluckt er sich an seiner Lieblings-Mehlspeise.
Diesbezüglich kann ich ihn gut verstehen. Brandteig schmeckt einfach zu gut, um sich auf einen einzigen Krapfen zu beschränken. Vor allem, wenn er mit den ersten frischen Erdbeeren und feiner Vanillecrème gefüllt ist.
Außerdem ist es technisch völlig unmöglich, das Gebäck stilvoll zu verspeisen. Wollte man die hübschen Krapfen mit der Gabel in mundgerechte Stücke zerteilen, würde man sie nur bis zur Unkenntlichkeit zerdrücken.
Es bleibt also nichts Anderes übrig, als einen Krapfen zur Gänze in den Mund zu führen, ihn hinein zu drücken, regelrecht zu verschlingen. Natürlich sieht das nicht vorteilhaft aus. Deshalb genießt man diese sie am besten unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der eigene Balkon ist zum Glück keine Theaterbühne.
Am Vortag geht’s los
Für die Füllung lasse ich schon am Vortag das ausgekratzte Mark einer Vanilleschote mit dem Rahm aufkochen. Dann ziehe ich den Topf vom Herd und rühre die gehackte Schokolade mit dem Schneebesen ein. Sehr gut eignen sich dafür weiße Schokohasen, die seit Ostersonntag etwas planlos in der Wohnung herumstehen und einer sinnvollen Verwertung entgegenblicken. Ist die Mischung etwas ausgekühlt, stelle ich sie über Nacht in den Kühlschrank.

Am nächsten Tag rühre ich den Brandteig: Dazu erhitze ich Wasser, Milch, Butter, Zucker und Salz. In einem Schwung schütte ich das ganze Mehl in den Topf und rühre die Mischung kräftig durch. Schon nach kurzer Zeit bindet die Masse. Löst sie sich vom Boden, weiß ich, dass der Weg stimmt. Ich ziehe den Topf vom Herd und arbeite ein Ei nach dem anderen mit den Knethaken des Mixers ein. Fertig ist einer meiner Lieblings-Teige.
Dann heize ich das Backrohr auf 180° Ober/Unterhitze vor. Die zähe Teigmasse fülle ich in einen Spritzbeutel, mit dem ich kleine Krapfen auf ein mit Backpapier belegtes Blech dressiere. Dazwischen dürfen ein paar Zentimeter freibleiben, da die Krapfen beim Backen aufgehen, wie Krapfen das nun einmal gerne tun. Mit ein paar Wassertropfen besprenkle ich die Teighäufchen, die nun für rund 20 Minuten ins Backrohr dürfen.

Während die fertigen Krapfen rund eine Stunde auskühlen, schlage ich den Schokoladen-Rahm mit dem Schneebesen des Mixers steif. Immer wieder staune ich, wie einfach sich aus wenigen Zutaten in wenigen Minuten so eine hervorragende Crème zaubern lässt. Sie gelingt mir auch an mühsamen Tagen garantiert und sorgt für gute Laune. Am liebsten würde ich mich in sie hineinlegen.
Ich halbiere die Brandteigkrapfen waagrecht, spritze die Crème mit dem Dressiersack auf die Böden und setze klein geschnittene Erdbeeren darauf. Einmal habe ich auch ein paar Erdbeeren püriert und flott unter die Crème gezogen – das führte zu einem schönen Marmor-Effekt und schmeckte raffiniert. Und dann: Deckel drauf, mit Staubzucker bestreuen, servieren, verschlingen und bitte nicht verschlucken. Es wäre schade um Sie!

Hören und lesen
Vor zwei Jahren hat die französische Sängerin Zaho de Sagazan das Album „La Symphonie des Éclairs“ herausgegeben – und allein schon wegen des Namens passt es gut zur Frühlings-Kaffeejause. Schließlich werden längliche Brandteigkrapfen in Frankreich „Èclairs“ (Blitze) genannt.
Als Lektüre empfehle ich das von Harald Schmidt herausgegebene Thomas-Bernhard-Buch „In der Frittatensuppe feiert die Provinz ihre Triumphe“, das sich auf eine kulinarische Spurensuche durch Bernhards Leben und Werk begibt. Natürlich führt sie auch an Ludwig Worringers Brandteig-Drama vorbei.

Zutaten:
Brandteig: 130 ml Milch, 130 ml Wasser, 110 g Butter, 140 g Mehl, 5 Eier, 1 TL Zucker, zwei kräftige Prisen Salz, Staubzucker
Füllung: 1 Vanilleschote, 700 ml Rahm, 200 g weiße Schokolade, 250 g Erdbeeren
Musiktipp:
Album „La Symphonie des Éclairs“ aus dem Jahr 2023 von Zaho de Sagazan, Label Disparate
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