Osterjause nach meinem Geschmack.

Ein guter Braten und selbstgemachtes Brot gehören für mich zu Ostern, wie das Amen im Gebet. Heuer backe ich mir knusprige Bärlauch-Brötchen. Darin klemme ich dünne Scheiben Porchetta ein, einen würzigen Rollbraten, den ich mit Frühlingskräutern fülle.

Als Dreiviertel-Vegetarier überkommt mich fast ein mulmiges Gefühl, als ich ausnahmsweise mit einem schweren Trumm Schweinebauch unterm Arm aus der Metzgerei schleiche. Hardliner sehen darin vermutlich eine fürchterliche Inkonsequenz. Doch Fanatismus war mir immer schon verdächtig, ob in Religionen, in der Ernährung oder in der politisch korrekten Sprache. Ich plädiere für etwas mehr Gelassenheit in Zeiten der Anspannung.

Denn auch wenn die Fakten eindeutig und die Engagements zu unterstützen sind: Manchmal nervt es, wenn jemand, der im Grunde ja völlig recht hat mit dem Eintreten für Tierschutz oder drastische CO2-Reduktion, bei jeder kleinen Verfehlung anderer mürrisch den Zeigefinger hebt. Pubertierende Kinder (zumindest meine), kennen das, wenn sie etwa bei Wind und Wetter viel zu leicht bekleidet aus dem Haus gehen, und der Papa ihnen nachruft, dass sie sich die warme Jacke umhängen sollen. „Nerv nicht und sei leise, Papa!“ heißt es dann. Ja, so fühlt es sich in etwa an.

Immer locker bleiben
Seien wir nicht gar so streng miteinander. Lassen wir Fünfe auch einmal gerade sein und die Selbstgerechtigkeit ein Stück hinter uns. Vielleicht fallen dann auch die Gegenreaktionen nicht so heftig und trotzig aus. Und manche Idee zur Erhaltung der Welt wäre dann womöglich endlich mehrheitsfähig. Es ist okay, nicht ganz perfekt zu sein. Soll doch ein Klimaschützer ausnahmsweise einmal nach Bali fliegen dürfen. Und an hohen Feiertagen darf auch einmal ein Braten im Ofen des Probelokals landen. Ausnahmen bestätigen schließlich die Regel.

Deshalb bruzzle ich mir zum heurigen Osterfest einen italienisch anmutenden Rollbraten mit Frühlingskräutern und markanten Gewürzen. Porchetta ist eine Spezialität in Umbrien und Latium. Dort wird zu Straßenfesten ein ganzes, ausgenommenes Schwein gebraten. Mir genügt ein großes Stück Bauch, in das ich ein zartes Filet einrolle. Kalt aufgeschnitten landet das butterzarte Fleisch in knusprigen Bärlauch-Brötchen.

Diese drei Teige werden gleich zusammen geknetet.

Knusprig-zarte Brötchen
Die Zubereitung beginnt bereits am Vortag. Ich starte mit dem Brot, das aus drei Teigen besteht, die am Ende zu einem wunderbaren Ergebnis zusammen geknetet werden. Aller guten Teige sind schließlich drei. Für Teig 1 verrühren Sie das Wasser mit der Hefe und dem Mehl – die Mischung wird abgedeckt und über Nacht zum Reifen in den Kühlschrank gestellt.

Für Teig 2 kochen Sie am Folgetag das Wasser auf und lassen das Grieß unter Rühren einrieseln. Bei niedrigster Temperatur zieht die Mischung ein paar Minuten durch, dann lassen Sie sie auskühlen. Und für Teig 3 kneten Sie einfach das Mehl mit dem Wasser durch. Dazu kommen nun die Teige 1 und 2, ebenso Öl, Pesto, Salz und restliche Hefe.

Dieser Teig wächst über sich hinaus. Die Brötchen danach auch.

Die Mischung wird 10 Minuten bei geringer und 5 Minuten bei hoher Geschwindigkeit in der Küchenmaschine geknetet. Dann wird sie abgedeckt und zwei Stunden in Ruhe gelassen. Der Teig geht kräftig in die Höhe, zwischendurch wird er deshalb zwei- bis dreimal zusammengedrückt. Danach kneten und formen Sie mit Hilfe von etwas Grieß kleine Brötchen, die nun nochmals eine Stunde zugedeckt rasten dürfen. Dann werden sie mit etwas Olivenöl bepinselt, mit grobem Salz bestreut und bei sehr hoher Temperatur (möglichst 250 Grad) rund 10 Minuten gebacken. Im Idealfall auf einem Pizzastein.

Die Bärlauch-Brötchen sind schon solo ein Hochgenuss.

Braten braten
Auch die Vorbereitungen für den Braten beginnen am Vortag. Schneiden Sie das Bauchfleisch auf der Fleischseite mit einem scharfen Messer mehrfach ein. Die Fettseite wird mit der Messerspitze mehrfach eingestochen. Dann rösten Sie die Fenchelsamen und den Koriander in einer Pfanne ohne Fett an, bis die Gewürze duften. Im Mörser werden sie mit Kräutern, Knoblauch, abgeriebener Zitronenschale und Senf zu einer Paste gerührt.

Diese streichen Sie auf die Fleischseite, dann legen Sie das Filet darauf, salzen und pfeffern das gesamte Fleisch und rollen den Bauch (natürlich nicht Ihren, sondern den des Schweins) wie eine Roulade über das Filet hinweg straff ein. Mit Küchengarn wird festgebunden. Dann darf der Braten über Nacht im Kühlschrank ziehen. Am besten in einem großen Gefrierbeutel, meinetwegen auch in einer geschlossenen Schüssel. Hauptsache, das Fleisch ist gut eingehüllt, sonst macht sich der Knoblauchgeruch über den Rest des Kühlschrank-Inhalts her.

Das Filet kommt auf das Bauchfleisch. Gemeinsam mit den feinen Gewürzen.

Nehmen Sie das Fleisch frühzeitig vor dem Braten aus dem Kühlschrank und heizen Sie den Ofen vor. Es genügen 120 Grad (Umluft 100 Grad). Setzen Sie das Fleisch auf ein Gitter und schieben Sie im Backofen ein Blech darunter, damit das Fett später hineintropfen kann. Ins Blech kommen das gehackte Gemüse, das Wasser und der Weißwein. Dann brauchen Sie 5-6 Stunden Geduld.

Zwischendurch wenden Sie den Braten, ansonsten bleiben Sie Zuschauer. Ist die Zeit um, darf der Braten aus dem Ofen. Den Inhalt des Blechs sieben Sie, um die würzige Flüssigkeit in einem Topf zu einer schmackhaften Sauce einzukochen. Den Braten setzen Sie auf Alufolie und legen ihn wieder auf den Rost.

Zur Krönung erhitzen Sie den Ofen nämlich nun auf 250 Grad, um den Braten knusprig werden zu lassen. Bitte immer wieder drehen, damit rundum eine Kruste entsteht. Wie das duftet! Dann nehmen Sie den Braten heraus und lassen ihn einige Minuten ziehen. Das Fleisch wird schließlich dünn aufgeschnitten, mit etwas Bratensaft beträufelt und im Brot serviert.

Gründe zu feiern
Was für ein Fest! Trotz aller Widrigkeiten unserer Welt gibt es Anlässe zu feiern. Schließlich ist Ostern. Man könnte auch ganz bewusst einen Schlussstrich unter die mühsamen drei Jahre der Pandemie setzen. Oder einfach den Auftakt in die warme Jahreszeit zelebrieren. Denn es ist Jahr für Jahr ein wunderbares Gefühl, wenn der Frühling an die Tür klopft.

Das finden auch „Mighty Poplar“, eine neue Supergroup herausragender Folk-Musiker: „And the springtime’s a-comin up on the devide“ singen die Jungs um Ausnahme-Gitarrist Chris Eldridge in ihrem Lied „Up on the Divide“. Es ist Teil ihres ersten gemeinsamen Albums, das dieser Tage veröffentlicht wird und damit natürlich der Soundtrack meiner heurigen Frühlingswochen ist.

Der Rollbraten beim Aufschneiden.

Fragen über Fragen
Am Ende des Bratens und Backens stellen sich nur noch zwei Fragen. Erstens: Würde dieses Gericht bei der neuen, rechten Regierung in Niederösterreich als traditionelles und regionales Speisenangebot durchgehen? Dort soll es ja eine Wirtshaus-Prämie geben – vorausgesetzt, es werden traditionelle und regionale Gerichte aufgetischt. Möge die Gulaschsuppe versalzen und die böhmischen Liwanze überzuckert sein, wenn die biedere Regierungsspitze zur Verkostung schreitet. Ist es nicht völlig egal, woher die Speisen dieser Welt kommen?

Und Frage Nummer zwei: Ist das Genießen in Krisenzeiten überhaupt opportun? Jochen Bittner machte sich in der ZEIT einmal darüber Gedanken: „Genussfähigkeit ist Glücksfähigkeit. Und wer glücklich ist, dem fällt es ebenso schwer zu hassen, wie es ihm leichtfällt zu lieben. Genuss macht bewusst, wie wertvoll, wie heilig das Leben ist, und zwar nicht nur das eigene. Wir dürfen also nicht nur, wir sollten: unsere Seelen füttern mit Sinnlichem.“

Zutaten:
Bärlauch-Brötchen:
Teig 1: 200 Milliliter Wasser, 3 Gramm frische Hefe, 200 Gramm Mehl (Type 550 in Deutschland, Type 700 in Österreich)
Teig 2: 450 Milliliter Wasser, 200 Gramm Grieß
Teig 3: 600 Gramm Mehl (Type 550 in Deutschland, Type 700 in Österreich), 350 Milliliter Wasser
Dazu 40 Gramm Olivenöl, 20 Gramm Bärlauchpesto*, 20 Gramm Salz, 10 Gramm Hefe, etwas grobes Meersalz

*Bärlauch-Pesto:
200 Gramm gewaschenen Bärlauch mit 50 Gramm Pinienkernen, 1 Teelöffel Salz und 150 Milliliter Rapsöl im Mixer fein zerkleinern.

Porchetta:
Rund 2 Kilogramm Schweinebauch, möglichst breit und dünn, 1 Schweinsfilet, 5 Knoblauchzehen, 1 Esslöffel Fenchelsamen, 1 Esslöffel Koriandersamen, 1 Esslöffel Senf, einige Kräuter (Rosmarin, Salbei, Oregano, Bärlauch), Salz, Pfeffer, 1 Bio-Zitrone, 2 getrocknete Chilischoten, je 300 Milliliter Weißwein und Wasser, 1 Karotte, 1 Zwiebel und 1 Stange Sellerie

Musiktipp:
Album „Mighty Poplar“ von „Mighty Poplar“ aus dem Jahr 2023, Label Free Dirt

Post Author: Dan

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