Drei Gänge, feine Klänge und bloß keine Zwänge.

Einen Haken hat es, wenn man das Weihnachtsmenü schon Anfang Dezember veröffentlichen will: Man muss schon im November probekochen, Rezepte schreiben und fotografieren. Deshalb bemühte ich mich um frühzeitig aufkommende Weihnachtsstimmung. Schließlich wollen die nachfolgenden Rezepte in der gebotenen Andächtigkeit verfasst werden, damit sie glaubwürdig bei Ihnen ankommen.

Doch wie sollte diesen November glänzende Stimmung aufkommen? Allein schon wegen des angespannten Weltgeschehens und vieler hartnäckiger Regentage konnte das nicht funktionieren. Zudem stören mich die seit Wochen gestapelten Weihnachtskekse im Handel eher, als dass sie Vorfreude vermitteln. Und auch die viel zu früh startenden Christkindlmärkte tragen nicht zur Einstimmung bei. Im Gegenteil, mit ihrer fröhlich getarnten Aggressivität entpuppen sie sich eher als Orte der Seelenlosigkeit. Ich kann übrigens kaum erwarten, bis wir das Warten wieder lernen…

Auf Anordnung kam also keine besondere Feiertagsstimmung auf. Vermutlich werden Glanz und Gloria ohnedies überbewertet. Es muss auch zum Fest nicht alles perfekt sein. Überhöhte Erwartungen sind ein Garant für Enttäuschung. Ich bin mir sicher, dass auch in Bethlehem nicht alles eitel Wonne war. Damals wie heute. Halbwegs okaye Weihnachten, das wär’s heuer schon. Gutes Essen und Musik können dazu einen Beitrag leisten.

Vier Kriterien soll das Menü erfüllen: 1. Entspannt muss alles ablaufen. Deshalb wird das gesamte Menü schon am Vortag zubereitet (toller Nebeneffekt: es wird über Nacht noch besser!). 2. Leistbar soll es sein, auch wenn die Produkte gute Qualität haben. 3. Hervorragend schmecken muss es – schließlich wird das Leben gefeiert! Und 4. – ja keine großen Experimente! Feiertage haben etwas Konservatives.

Rindsragout mit abgelaufenem Bier
Zum Auftakt kommt eine rustikale Suppe aus Kartoffeln und Champignons auf den Tisch, die im winterlichen Alltag auch als Hauptmahlzeit taugt. Danach gibt es ein Wohlfühl-Gericht mit Spätzle, Blaukraut und mürbem Beinfleisch vom Rind, das ich am Vortag stundenlang in Bier geschmort habe. Dass das verwendete Bier längst abgelaufen war, konnte das Geschmackserlebnis nicht schmälern. Im Gegenteil, vielleicht schmeckte es deswegen noch besser!?

Und zum Dessert rühre ich mir eine Mousse aus winterlichen Gewürzen und weißer Schokolade. Dazu brate ich Apfelwürfel, die ich zur Krönung flambiert habe. Da bin ich froh, ein Mitglied der Jugend-Feuerwehr in der Familie zu haben. Der 12jährige Florian wacht gekonnt über meine kulinarischen Zünseleien und wäre stets einsatzbereit, sollte die Situation eskalieren.


Zuerst die Suppe
Für die Kartoffel-Champignon-Suppe schäle und würfle ich die Zwiebel, bevor ich sie bei mittlerer Temperatur in Butter anbrate. Die Pilze werden bis auf drei Exemplare grob gewürfelt, die Kartoffeln bis auf ein Exemplar geschält und gewürfelt. Das zurückgehaltene Gemüse wird später zur Einlage, das schon gewürfelte kommt nun zu den angerösteten Zwiebeln.

Dann wird durchgerührt und mit Salz, Lorbeerblatt und je einer kräftigen Prise Majoran und Kümmel gewürzt. Wer will, löscht mit einem Schuss Weisswein ab, danach kommt die klare Suppe dazu. Die feine Mischung darf nun für 20 Minuten leise köcheln.

Dann entferne ich das Lorbeerblatt, gieße den Rahm dazu und püriere die Suppe mit dem Stabmixer. Nun wird die zurückbehaltene Kartoffel geschält, gleichmäßig gewürfelt und in der Suppe versenkt. Die Würfel werden in zehn Minuten weich. Zum Schluss schmecke ich mit Zitronensaft, Salz und Pfeffer ab, ehe ich die zurückbehaltenen Pilze in etwas Butter scharf anbrate und zur Suppe gebe. Das alles mache ich schon am Vortag. Der Suppentopf wartet auf dem Fensterbrett in der Dezember-Kälte bis zum großen Fest. Dann muss sie nur noch aufgewärmt werden.

Rindsragout in Bockbier
Auch das Rindsragout bereite ich schon am Vortag zu. Ich schneide das Fleisch in vier bis fünf Zentimeter große Stücke, die Karotten werden geschält und in grobe Stücke geteilt. Speck, Zwiebel und Knoblauch würfle ich hingegen möglichst fein. Im Schmortopf erhitze ich das Öl. Darin brate ich unter Rühren den Speck an, den ich jedoch bald wieder heraushebe und zwischenparke.

Die Rindfleisch-Würfel sollten nicht auf einmal in den Topf, das Öl würde sonst zu rasch abkühlen. Es soll zischen und spritzen, deshalb kommen die Würfel in drei Etappen in die Hitze. Jede Portion brate ich rundum scharf an und hebe sie heraus. Ist das Fleisch gebräunt, dürfen die Karotten sowie die fein gehackten Zwiebeln mit Knoblauch in den Topf. Der Duft ist fantastisch – wäre es im Topf nicht so heiß, müsste man sich geradezu aus Freude hineinsetzen.

Stattdessen streue ich eine kräftige Prise Zucker darüber. Dann kommen die Gewürze und das Tomatenmark dazu. Ich staube mit etwas Mehl, rühre kräftig durch und lösche mit einem ersten Schuss Bier ab. Wie erwähnt, verwertete ich beim Probekochen eine Flasche Bier, die bereits im Sommer abgelaufen ist. Bitte suchen Sie deswegen aber kein abgelaufenes Bier, wenn sie das Ragout nachkochen. Passend zu den Feiertagen könnten Sie auch eine Flasche mit frischem Bockbier verwenden.  

Dann kommen das Fleisch, der geparkte Speck, das restliche Bier und die Suppe in den Topf. Deckel drauf und ab in den Backofen: Bei 150° Umluft schmort das Gericht nun für zwei, besser drei Stunden im eigenen Saft und wird von Minute zu Minute köstlicher. Ich hebe den Topf aus dem Herd, fische mit einer Gabel oder Zange das fast zerfallende Fleisch und die Karotten aus dem Topf und lagere sie in einer Schüssel. Die Sauce lasse ich auf dem Herd sprudelnd einkochen. Wer will, gießt sie durch ein feines Sieb und bindet sie mit etwas Maisstärke.

Ein winterliches Wohlfühlgericht – optimal vorzubereiten für die Feiertage.

Die Nacht bewirkt Geschmackswunder
Dann schalten Sie den Herd aus und geben das Fleisch und die Karotten wieder in die Sauce. Auch diesen Topf stelle ich nun über Nacht ins Freie. Am nächsten Tag brauchen Sie das Ragout nur noch langsam aufzuwärmen, es soll nicht mehr kochen. Vielleicht braucht es noch etwas Salz, Pfeffer und einen Spritzer Zitronensaft.

Erstaunlich, wie das Gericht über Nacht noch geschmackvoller wird. Ein kleines, kulinarisches Weihnachtswunder! Dazu gibt es Blaukraut, das ich Ihnen bereits vor wenigen Wochen auf dieser Seite vorgestellt habe. Auch das Kraut wird über Nacht nur besser. Natürlich können auch die Spätzle, die für mich eine Pflichtbeilage zum Ragout sind, am Vortag zubereitet werden.

Dazu verrühre ich mit einem Kochlöffel das Mehl und die Eier mit dem Salz. Den glatten Teig decke ich ab und lasse ihn eine halbe Stunde stehen. Dann koche ich einen großen Topf mit gesalzenem Wasser auf. Darauf setze ich mein Spätzlesieb und drücke den Teig etappenweise in das Wasser. Die gekochten Spätzle steigen rasch an die Oberfläche.

Ich hebe sie mit einer Schaumkelle aus dem Topf und spüle sie kurz mit kaltem Wasser ab. Damit sie über Nacht beim Auskühlen nicht zusammenkleben, gebe ich einen Spritzer Öl in den Spätzle-Haufen und rühre durch. Die abgedeckte Schüssel stelle ich zur Suppe und zum Ragout ins Freie. Am Folgetag werden die Spätzle vor dem Servieren in einer beschichteten Pfanne in etwas Butter geschwenkt und erhitzt.   


Nachtisch-Pflicht
Natürlich ist das Dessert der Höhepunkt des Weihnachtsmenüs. Für die Dezember-Mousse hacke ich die weiße Schokolade und gebe sie in eine Schüssel. 150 Milliliter des Rahms koche ich mit den weihnachtlichen Gewürzen auf, dann lasse ich ihn bei geringer Temperatur 10 Minuten ziehen. Den warmen Gewürzrahm gieße ich nun durch ein Sieb über die Schokolade, die nun in Windeseile davon schmilzt. So soll es sein. Ich rühre gut durch und lasse die Mischung abkühlen. Anschließend schlage ich den restlichen Rahm steif und ziehe ihn unter die Schokolademischung.

Die entstandene Crème fülle ich in Gläser ab. Dreimal dürfen Sie raten, wohin die portionierten Desserts nun kommen: Natürlich zu Suppe, Ragout, Blaukraut und Spätzle ins Freie. Egal ob Terrassentisch oder Fensterbrett, langsam wird der Platz vor dem Küchenfenster knapp. Hoffentlich spricht sich in der Nachbarschaft nicht herum, welche Köstlichkeiten da im Freien herumstehen. Nicht auszudenken, wenn das vorgekochte Weihnachtsmenü in der Nacht aufgegessen würde!

Eine Kleinigkeit fehlt noch zum kulinarischen Glück. Die Zimtäpfel zur Krönung der Dezember-Mousse. Dazu schäle ich den Apfel, entferne das Gehäuse und würfle das Fruchtfleisch. In einer kleinen Pfanne lasse ich die Butter zergehen und leicht braun werden. Dann lege ich die Apfelwürfel ein, bestreue sie mit Zucker und würze mit einer kräftigen Prise Zimt.

Wenn Sie wollen, können sie die Mischung mit einem Schuss Apfelbrand verfeinern – oder sogar flambieren. Bitte fackeln Sie aber nicht ihre Küche ab, das brächte Sie zu den Festtagen unnötigerweise in eine missliche Lage. Auch die abgedeckte Apfelmischung darf in der kalten Winternacht im Freien übernachten. Vor dem Servieren lege ich einige Würfel auf die Mousse ins Glas.

Fairytale of New York
Jedes Jahr ärgere ich mich, wenn im Supermarkt oder auf Christkindlmärkten schon Mitte November die schlimmsten aller Weihnachtshits aus den Musikboxen dröhnen. Umso größer war die Freude, als beim Einkaufen der Zutaten für dieses Weihnachtsmenü ausgerechnet am 30. November das politisch inkorrekte und wunderbare Lied „Fairytale of New York“ der Pogues erklang. Traurig nur, dass Pogues-Sänger Shane MacGowan just am selben Tag verstorben ist. Wenngleich es mich aufgrund seines Lebenswandels erstaunt, dass er überhaupt 65 Jahre alt werden konnte. Mit diesem Lied hat er sich jedenfalls unsterblich gemacht. Es klingt sogar erhebend, wenn man im grellen Licht an der Supermarkt-Kassa die Zutaten aufs Band legt und in gestresste Gesichter blickt.

Damit Sie nicht nur das „Fairytale of New York“ hören müssen, empfehle ich Ihnen noch ein kürzlich erschienenes Weihnachtsalbum: Der schwedische Jazzposaunist Nils Landgren hat mit seinen Freunden wieder einmal ein Album zum Fest aufgenommen. „Christmas With My Friends VIII“ vereint bekannte und neue Advents- und Weihnachtslieder und krönt das vorgestellte Festessen.

Zutaten:
Kartoffel-Champignon-Suppe: 600 Gramm mehligkochende Kartoffeln, 250 Gramm Champignons, 100 Gramm Zwiebeln, evtl. 1 Schuss Weißwein, 1 Liter klare Suppe, 1/2 Zitrone, 150 Milliliter Rahm, 1 Esslöffel Butter, getr. Majoran und ganzer Kümmel, 1 Lorbeerblatt, Salz, Pfeffer, evtl. etwas Pesto zum Anrichten

Rindsragout in Bockbier: 700 Gramm Rindfleisch (Wade – es soll durchzogen sein, damit es nach dem langen Schmoren saftig bleibt!), 100 Gramm Schinkenspeck, 300 Gramm Zwiebeln, 2 Knoblauchzehen, 3 Karotten, 1 Esslöffel Zucker, 0,33 Liter kräftiges Bier, 500 Milliliter klare Suppe, 1 Esslöffel Tomatenmark, Thymian, Lorbeerblatt, Wacholderbeeren, Koriander, Pfeffer, Salz, Spritzer Zitronensaft, kl. Würfel Butter

Blaukraut: siehe Rezeptgeschichte vom November 2023

Spätzle: 300 Gramm Mehl, 6 Eier, ½ Teelöffel Salz und weiteres Salz für das Kochwasser, etwas Butter zum Anbraten am Folgetag

Dezember-Mousse und Zimtäpfel: 350 Milliliter Rahm, 200 Gramm weiße Schokolade, ½ Teelöffel Lebkuchengewürz, 1 Zimtstange, 1 Apfel, je ½ Teelöffel Butter und Zucker, Prise Zimt, evtl. 1 Schuss Apfelbrand

Musiktipp:
Album „Christmas With My Friends VIII“ von Nils Landgren aus dem Jahr 2023, Label ACT

Post Author: Dan

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