
Alles für die Fische.
Der Spruch mag abgedroschen sein: „Wenn ich den See seh‘, brauch‘ ich kein Meer mehr.“ Aber er stimmt jedes Jahr aufs Neue. Egal ob bei Sonne, Regen oder Nebel, ob im Sommer oder bald im Herbst: Gewässer wie der Bodensee faszinieren mich in jeder Hinsicht.
Ein spätsommerlicher Streifzug entlang des Ufers führte mich in den Hofladen von Albert Bösch, gelegen in Gaißau, direkt an der österreichischen Grenze zur Schweiz. Fischer wie er erleben täglich die Sonnen- und Schattenseiten ihres Berufs. Einerseits hat er einen der schönsten Arbeitsplätze des Landes: Wer sonst kann schon behaupten, den Tag in aller Ruhe bei Sonnenaufgang am Wasser zu starten?
Andererseits ist der Wildfang ein Knochenjob – pardon, ein Grätenjob. Grätig könnte man auch werden, wenn man erfährt, was das Fischer-Dasein schwermacht. Es gelten strenge Fangregeln und invasive Arten machen sich breit. Da bleibt die Beute oft überschaubar.
Der See hat einen Vogel – sogar (zu) viele
Und dann ist da noch der Kormoran, der auf Fangquoten pfeift und die feinsten Kretzer und Felchen stibitzt. Zwar gönne ich jedem noch so komischen Vogel auch einmal ein feines Essen. Jedem Tierchen sein Pläsierchen. Aber sie dürften ihren Appetit ruhig zügeln, damit den Fischern genügend übrigbleibt. Regionaler Wildfang ist mir nämlich lieber als weit gereister Antibiotika-Zuchtfisch.
Albert Bösch füllt meine Tasche mit Köpfen und Gräten vom Barsch, damit ich einen kräftigen Fond kochen kann. Auch ein großes Stück Karpfen legt er dazu, das wird die Einlage. Im Probelokal angekommen, beginne ich das Abenteuer. Ich feiere mit diesem September-Rezept nämlich eine Premiere: Nie zuvor habe ich mir eine Fischsuppe gekocht.

Das hat einige Gründe. Seit jeher mache ich einen großen Bogen rund um Meeresfrüchte und exotische Wassertiere. Ich kann kaum hinsehen, wenn mich irgendein Tier vom Teller aus ansieht oder sich gar noch erdreistet, mir Fühler oder Beine entgegen zu strecken. Ob knackender Krebs oder schlotzige Auster: So etwas kann ich einfach nicht essen. Und Rezepte klassischen Meeres-Fischsuppen strotzen schließlich nur vor solchen Tieren, die ich mir höchstens im Zoo ansehen möchte.
Suppe, die nach Hafen schmeckt
Außerdem hat mir ein Bekannter kürzlich von einem fragwürdigen Restaurant-Erlebnis in Südfrankreich erzählt. Die dort servierte Bouillabaisse habe geschmeckt, als hätte jemand einfach einen Schöpfer Wasser aus dem Hafen von Marseille hochgezogen und auf den Tisch gestellt. Grauslig eben.
Doch die appetitanregenden Geschichten und praktischen Tipps von Albert Bösch – alles andere als Seemanns-Garn! – inspirierten mich zum erstmaligen Fischsuppe-Kochen. Um weder mich noch meine Gäste zu erschrecken, wollte ich den Fischgeschmack beim Erstversuch dezent halten und sie mit exotischen Gewürzen abrunden. So verbindet sich außerdem die Regional- mit der Weltküche.
Das Experiment beginnt
Im Probelokal angekommen, lege ich die Fischkarkassen – so werden Gräten und Abschnitte der Fische genannt – in einem großen Topf mit kaltem Wasser ein. Das Wasser wechsle ich innerhalb einer guten Stunde zwei- bis dreimal. Inzwischen wasche ich das Gemüse und schneide es in grobe Würfel.

In einem Topf erhitze ich das Öl, um darin Zwiebel, Sellerie, Fenchel und Lauch anzubraten und das Gemüse mit dem Zucker leicht karamellisieren zu lassen. Dazu gieße ich den Wein, der etwas einkochen darf. Nun kommt der große Auftritt der Fischköpfe und Gräten – sie dürfen aus dem Wasser und gesellen sich zum Gemüse. Auch die gewürfelte Tomate kommt dazu. Die Mischung decke ich mit kaltem Wasser ab, ich brauche für meinen Topf bis zu zwei Liter Wasser.
Dann gebe ich die Gewürze und den Knoblauch dazu. Die Mischung wird vorsichtig und nur kurz aufgekocht, aufsteigender Schaum wird mehrmals mit dem Schaumlöffel entfernt. Dann schalte ich zurück und lasse die ungewohnte Mischung unter dem Siedepunkt max. eine halbe Stunde ziehen.

In der Kürze liegt die Würze
Als leidenschaftlicher Koch von Hühner- oder Rindssuppe bin ich es eigentlich gewohnt, Suppenfleisch stundenlang köcheln und damit intensiver werden zu lassen. Doch das wäre beim Fischfond ein großer Fehler! Gut, dass Fischer Albert Bösch mich eindringlich darauf hingewiesen hat. Die Karkassen müssen geduldig gewässert, vorsichtig erhitzt und höchstens eine halbe Stunde sanft gekocht werden. Sonst ist alles für die Fische.
Abschließend lasse ich den Topfinhalt durch ein ganz feines Sieb, es darf sogar ein Passiertuch sein, in eine große Schüssel fließen. Die Hälfte des Fonds friere ich nach dem Auskühlen ein. Und die andere Hälfte verwende ich für die heutige Suppe.
Ein Fest für Curry-Fans
Dazu hacke ich zuerst Knoblauch, Ingwer und Zitronengras. Das alles wächst inzwischen auch am Bodensee, etwa auf der Insel Reichenau bei Konstanz. Die exotisch duftende Mischung schwitze ich in 1 EL Olivenöl an. Dann röste ich die Currypaste und den Zucker mit an. Endlich kommt der große Auftritt des vorhin gekochten Fischfonds – einen Liter davon gieße ich gemeinsam mit der Kokosmilch in den Topf.
Anschließend erhitze ich die Mischung wieder ganz behutsam. Nach leise simmernden zwanzig Minuten würze ich mit dem Currypulver, püriere die Mischung mit dem Stabmixer und gieße sie durch ein feines Sieb. Um sie zu binden, rühre ich die Stärke mit etwas Wasser glatt und rühre sie in die Suppe. Diese erhitze ich nochmals.
Für die Einlage schäle ich die Karotten und schneide sie mit dem weiteren Gemüse in kleine Scheiben. In einer beschichteten Pfanne brate ich in etwas Öl zuerst Karotten und Sellerie, dann Paprika und noch kurz die Zucchini an und gebe alles in den Suppentopf.

Einmal brauche ich die Bratpfanne noch, um das klein geschnittene Fischfilet beidseitig kurz anzubraten. Leicht gesalzen und gepfeffert kommt nun auch der Fisch in die Suppe. Ich schmecke mit ein paar Spritzern Limettensaft ab und richte die Suppe mit gehackten Korianderblättern an.
Die Suppe schmeckte beim Probekochen übrigens auch denen, die meinten, keine Fischsuppe zu mögen. Sogar mir! Dank viel Curry und Kokos empfehle ich das Rezept als Einsteiger-Modell für Skeptische. Optisch wie geschmacklich ist sie in der Lage, den Sommer zu verlängern. Und falls es demnächst doch länger regnen sollte, dann denken Sie daran, was Karl Valentin gesagt hat: „Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.“
Musiktipp: „Halcyon“ von Kingfishr
Wenn der Herbst sich anschickt, den Sommer abzulösen, geschieht mit meiner Musikpräferenz stets Wundersames: Dann erwacht der Folk zu neuer Blüte. Aktuell hat es mir die Band Kingfishr angetan. Die drei Herren aus dem irischen Limerick klingen bei ihrem Debutalbum „Halcyon“ ein bisschen wie die frühen Mumford & Suns, haben das Größte aber noch vor sich. Zu erleben ist das etwa bei Liedern wie Caroline oder Heart In The Water. Dass der Bandname zum Essen passt, macht die Sache noch runder.

Zutaten für sechs Personen:
Fischfond: 1,5 kg Fischkarkassen (Gräten und Abschnitte), 1 kleiner Fenchel, 1 Stange Lauch, 1 Zwiebel, 2 Stangen Sellerie, 1 Knoblauchzehe, 1 Tomate, 2 EL Olivenöl, 1 TL Zucker, ¼ l Weißwein oder Wermut (bei mir war es eine Mischung), Gewürze (ca. 10 weiße Pfefferkörner, 5 Pimentkörner, 2 Lorbeerblätter)
Suppe: 1 l Fischfond, 1 Dose Kokosmilch (400 g), 500 g Fischfilet (enthäutet und entgrätet), 500 g Gemüse (zB Karotten, Stangensellerie, Paprika, Zucchini), 3 EL Olivenöl, 1 Knoblauchzehe, 1 kl. Stück Ingwer, 1 Stängel Zitronengras, Prise Zucker, 1 EL Currypaste und 1 EL Currypulver, etwas Limettensaft, 1 TL Maisstärke, etwas gehackter Koriander
Musiktipp:
„Halcyon“ von Kingfishr aus dem Jahr 2025, Label B-Unique Records/Atlantic
Tolles Rezept!! Kompliment.
Gerade in der Küche finde ich, dass man ruhig etwas experimentieren kann. Auch Dinge probieren, die man niht mag. Typisches Beispiel: Die meisten Kinder mögen keinen Randig wegend er roten Farbe. Diese Erinnerung bleibt in unseren Hirnwindungen oft lange Zeit erhalten.
Diesen Schritt, diesmal mit Fisch, hat auch Dan gemacht.
Der nächste Schritt könnte für Dan sein, in einem Meer-Urlaubsort dort eine Fischsuppe zu probieren.