
Herbst im Kaffeehaus.
Begeistert schmökerte ich im Sommer durch die prachtvollen Bücher französischer Patissiers. Beeindruckend, welche glanzvollen, komplexen Werke da geschaffen werden. Kein Wunder, dass sich Künstlerinnen wie Nina Métayer oder Cédric Grolet kaum vor Instagram-Followern retten können.
Doch jetzt, wenn es ernst wird, dann brauche ich keine Opulenz. Es ist ja sonst schon alles sehr kompliziert momentan – etwa, wenn die Rechten mit dem Canceln beginnen, nachdem sie das jahrelang den Linken vorgeworfen haben. Die Fundamentalisten an den Enden des politischen Spektrums waren mir ja schon immer verdächtig.
Allein deshalb sehne ich mich im Herbst nach einem einfachen, guten Kuchen. Einen, der sogar auf Mehl verzichten kann, dafür aber nach einer Menge frisch geriebenen Mohn und einem saftig-sauren Apfel verlangt. Dieser Mohnkuchen schlägt jede social-media-taugliche, bunte Zuckerbombe, wenn es drauf ankommt.
Wenige Schritte zum Glück
Heizen Sie zunächst den Backofen auf 180° vor und trennen Sie die Eier. Das Eiweiß schlagen Sie im großen Rührkessel steif, währenddessen darf die Hälfte des Zuckers einrieseln. In einem weiteren Kessel rühren Sie danach die Butter mit dem restlichen Zucker, Salz, der ausgekratzten Mark der Vanilleschote und der fein abgeriebenen Zitronenschale cremig. Auch das Eigelb gesellt sich nun schrittweise dazu.
Schließlich waschen und reiben Sie den Apfel, um ihn gemeinsam mit Mohn in die Zucker-Eigelb-Mischung zu rühren. Auch Nüsse, Stärke, Milch und Eischnee kommen nun abwechselnd dazu. In eine ausgebutterte Form gefüllt, darf die Mischung nun für gut 45 Minuten in den heißen Ofen. Nach dem Auskühlen können Sie den Kuchen mit etwas Staubzucker bestreuen und mit Schlagrahm servieren. Ein Hochgenuss!

Unaufgeregter Kuchen
Dieser Kuchen ist quasi das Gegenteil der momentanen Weltenlage – unaufgeregt, ausgewogen und schlicht. Er nimmt sich nicht wichtig und setzt nicht auf Äußerlichkeiten. Deshalb mag man mit ihm gerne einen gemütlichen Nachmittag verbringen. Am besten mit einer kräftigen Tasse Kaffee, einem Gupf Schlagrahm und einer Zeitung. Da verwandelt sich Ihre gute Stube in ein richtiges Kaffeehaus.
Musiktipp: Sieben Zwetschken
Und dass dazu auch die richtige Musik nicht fehlen darf, ist im Probelokal hinlänglich bekannt. Die Idee für den Oktober-Musiktipp ereilte mich zum Sommerende in Wien. Als ich zunächst erwartungsfroh durch die dortige Innenstadt schlenderte, schreckten mich nicht nur die Warteschlangen vor den Kaffeehäusern ab, sondern auch das kleine Stück Sachertorte um 10,50 Euro – dafür bekommen Sie fast die Zutaten der ganzen Mohntorte.
Stolz, wie man eben ist, lässt sich unsereins ganz bewusst nicht als Massentourist abspeisen. So zog es mich statt ins Café zum Konzert der großartigen „Strottern“ am Spittelberg. Auf die zeitgemäßen Wienerlieder von Klemens Lendl und David Müller ist nämlich Verlass. Und das neue Album „Sieben Zwetschken“, das sie gemeinsam mit der JazzWerkstatt Wien aufgenommen haben, begleitet mich deshalb beim herbstlichen Kuchenbacken. Etwa mit Liedern wie dem titelgebenden Sieben Zwetschken, Wenn ka Teufel nicht wär oder dem allein schon aufgrund des Namens originellen Gugug.
Und wenn Sie sich nun des Kuchens erfreuen, dann vergessen Sie am Ende bloß nicht auf die Zahnbürste. Sie werden sehen, wie hartnäckig sich der Mohn behauptet und sich an Ihre Zähne klammert, wie Keith Richards an seine Gitarre oder Sonnenkönig Ludwig XIV seinerzeit an den Thron.

Zutaten für eine große Tortenform (26-28 cm):
250 g zimmerwarme Butter, 250 g feiner Zucker, 7 Eier, 300 g geriebener Mohn, 100 g geriebene Walnüsse (alternativ Mandeln oder Haselnüsse), 100 g Maisstärke, 100 ml Milch, 1 Vanilleschote, 1 Zitrone, 1 Prise Salz, etwas Staubzucker und Schlagrahm zum Servieren
Musik:
Album „Sieben Zwetschken“, Die Strottern und JazzWerkstatt Wien, Jahr 2025, Label JazzWerkstatt Wien
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