Sommer-Sonne-Sonnen-Schwein.

Zum Ferienbeginn wird also eine Sommer-Edition des guten, alten Schweinebratens serviert. Echt jetzt? In diesen Fleischhauer-Krisenzeiten? Jawohl, genau drum. Denn dank Zitronen-Gnocchi und frischem Frühkraut bekommt der Braten ein zeitgemäßes Update. Dass das Tier vor seinem bitteren Ende ein halbwegs anständiges Leben geführt haben sollte, versteht sich von selbst.

Vielleicht fragen Sie sich, ob mich Corona hat überschnappen lassen: Einen Schweinebraten an Tagen wie diesen? Ausgerechnet zu einer Zeit, in der die zum Himmel stinkenden Zustände in der Fleischindustrie in aller Munde sind? 

Nun, Großbanken waren mir schon immer verdächtig, egal ob Schlacht- oder Investmentbank. Letztere versenken Millionen, erstere schlachten im Akkord. Allein 20.000 Schweine werden offenbar pro Tag beim Mega-Metzger Tönnies verwurstet. Von Arbeitern aus Subunternehmen, die zu teils unwürdigen Bedingungen schuften.

Der Schlachthof ist kein Ponyhof
Doch es ist zu einfach, die Fleischindustrie zu kritisieren. Ich habe nämlich den leisen Verdacht, dass diese die Tierquälerei gar nicht aus schierer Freude betreibt. Es könnte ja sein, dass sie dies nur aus reiner Profitgier tun, weil es viele Menschen gibt, die mit ihrem Konsumverhalten genau diese Industrie fördern. Es wird meines Wissens niemand gezwungen, dieses anonyme Massenfleisch zu kaufen. Und jeder weiß, dass das Leben auf einem riesigen Schlachthof kein Ponyhof ist.

Es ist ein Phänomen, dass beim Start in die Grillsaison die Fleisch-Demenz weite Bevölkerungsteile erfasst. Dann zischt und dampft es auf den Terrassen, als wären Spaltböden, kupierte Ringelschwänze und betäubungsloses Kastrieren überwundene Phänomene des grausamen Mittelalters. Dabei ist das offenbar Standard in der Massenschweinzucht.

Das marinierte Schweinskarree liegt bereits in der Pfanne.

Damit der Braten nicht im Hals stecken bleibt, gibt es im Probelokal eine Faustregel: Höchstens ein-, zweimal Fleisch pro Woche. In überschaubarer Menge, aus artgerechter Tierhaltung und in Bio-Qualität. Als außergewöhnliche Wochenend-Belohnung nach arbeitsintensiven Tagen. Und dann vielleicht noch als exzellenten Geschmacksgeber. Denn angebratene Speckwürfel als Topping eines Salates gehören zum Allerfeinsten. Wenn man im Alltag auf einfache, vegetarische Produkte setzt, ist hochwertiges Fleisch zum Feiertag übrigens auch fürs Budget gut verträglich. Und obendrein fürs Klima.

Vorsicht: Probelokalverbot für Billigfleisch-Freaks!
Deshalb halte ich an dieser Stelle ausdrücklich und mit flexitarischer Inbrunst fest: Falls Sie sich immer noch von Fleisch-Sonderangeboten in den Discounter locken lassen und kritiklos Billigfleisch kaufen, dann bitte ich Sie nun höflich aber unmissverständlich, diese Seite zu verlassen. Dann erteile ich hiermit Probelokalverbot. Bitte kehren Sie wieder, wenn Sie diesem Wahnsinn abschwören.

Sie sind noch hier? Wunderbar! Es sei noch erwähnt, dass sich die Schweinereien der Fleischindustrie nicht auf Deutschland beschränken. In Österreich hört man zwar wieder, dass das Land zu klein sei für solche Strukturen. Das kennen wir auch vom Langlaufsport: „Austria is too small country to make good doping“, sagte der Skiverbandspräsident einmal. Kurz, nachdem Carabinieri das Quartier österreichischer Langläufer und Biathleten stürmten und Blutdoping-Material beschlagnahmten.

Es ist nicht davon auszugehen, dass jedes Nutztier den Sommer auf der Alpe genießen darf, wie das Bio-Ferkel in der Fernsehwerbung. Und wie derzeit zu vernehmen ist, landet anonymes Industriefleisch im großen Stil bei österreichischen Verarbeitern. Daran sollte man denken, wenn man im Gasthaus ein Schnitzel ohne Herkunftsbezeichnung isst. Oder Formschinken und Salami in der Lieblingspizzeria.

Das langsam gegarte Karree wird dünn aufgeschnitten und kräftig gepfeffert.

Schweinsbraten 2.0
Kürzlich feierte das Probelokal den 2. Geburtstag. Sechs ausgeloste Leserinnen und Leser erhielten aus diesem Anlass ein Picknick-Menü zugestellt. Zum Hauptgang gab es ein Update eines traditionellen, österreichischen Gasthaus-Gerichtes, nämlich des Schweinsbratens mit Knödeln und Kraut. Die sommerliche und politisch relativ korrekte Jubiläumsversion schmeckt leicht, pfeffrig und zitronig und eignet sich wunderbar als Mitbringsel zum Picknick.

Zuerst hole ich mir beim Bauer oder Metzger des Vertrauens ein mageres, langes Stück Schweinskarree ohne Knochen. Das ist für die Fett-Liebhaber natürlich ein Graus, für meine schwartenwegschneidende Familie jedoch die richtige Wahl. Ich rühre in einer großen Schüssel die Marinade, bestreiche damit das Fleisch und gebe den Deckel drauf. Im Idealfall geschieht das schon am Vorabend.

In einer ofenfesten Pfanne brate ich das Fleisch dann rundum scharf an, bevor die Pfanne bei sehr niedriger Temperatur – 100 Grad genügen – in den Backofen kommt. Das wars auch schon. Überprüfen Sie mit einem Fleischthermometer die Kerntemperatur – je nach Größe und Dicke des Bratens ist in gut zwei Stunden die ideale Temperatur von gut 70 Grad erreicht. Dann darf der Braten in Alufolie gewickelt rasten. Im Sommer lasse ich ihn ohnedies auskühlen.

Aus dem Zitronen-Kartoffelteig werden kleine Knödelchen geformt. Kostet Zeit, schmeckt aber herrlich!

Herrlich zitronige Gnocchi
Während das Fleisch im Ofen brät, wird meine Lieblings-Sommerbeilage zubereitet. Aus dem Kartoffelknödel, der traditionellen Beilage zu Schweinebraten, werden heute viele kleine Knödelchen: Nämlich Gnocchi, die mit viel Zitrone zur sommerlichen Hauptsache werden. Eigentlich bräuchte es dazu keinen Schweinebraten mehr. Aber dann hätte ich die einleitenden Zeilen ja umsonst geschrieben.

Ich koche die ungeschälten Kartoffeln in Salzwasser weich, das dauert je nach Größe rund 30 Minuten. Inzwischen nehme ich die Butter aus dem Kühlschrank, damit sie weich wird. Die Zitrone wasche ich heiß ab, trockne sie und schneide ein paar dünne Zesten von der Schale weg. Die brauche ich später zum Vollenden.  

Nach dem Kochen lasse ich die Kartoffeln ein paar Minuten stehen, bevor ich sie schäle und etwas auskühlen lasse. Mit der Kartoffelpresse drücke ich die Knollen in eine Schüssel. Dazu gebe ich die weiche Butter, das Ei, die Kartoffelstärke, die Gewürze und den Saft der Zitrone. Die Mischung rühre ich gut durch, bevor ich eine Handvoll Teig auf eine mit etwas Kartoffelstärke ausgestreute Arbeitsfläche drücke und zusammen rolle. Davon schneide ich kleine Teigstücklein ab, forme sie zu winzigen Knödelchen und lasse diese portionsweise in Salzwasser kochen. Das dauert höchstens zwei Minuten, dann hebe ich die Gnocchi mit einer Siebkelle aus dem Wasser und sammle sie in einer Schüssel. Darüber träufle ich etwas Öl, damit sie nicht zu sehr zusammen kleben.

Dann viertle ich den Krautkopf, schneide den Strunk weg und schneide das Kraut in feine Streifen. Die kommen gemeinsam mit einem Löffel Salz in eine große Schüssel. Ich decke zu und lasse das Kraut mit dem Salz ziehen. Dann geht’s ins Finale:

Die kleinen Gnocchi werden in Salbei-Knoblauch-Butter braun angebraten. Das dauert etwas!

In einer beschichteten Pfanne lasse ich Butter zergehen, lege eine Knoblauchzehe, die Zitronenzesten und fein geschnittene Salbeiblätter ein. Die Gnocchi werden nun portionsweise angebraten. Für mich müssen sie schön gebräunt sein, lieber zu dunkel, als zu hell. Das dauert erstaunlich lange, planen Sie also einige Minuten dafür ein! Am Ende kommen noch Salz und Pfeffer dazu.

In der Schüssel mit dem Kraut hat sich Wasser gebildet, das ich abgieße. Ich würze das Kraut mit Pfeffer, Zucker, Kümmel, Essig, Öl und rühre die feine Mischung gut durch. Zum Schluss entferne ich die Alufolie und schneide den lauwarmen Karreebraten in sehr dünne Scheiben.

Am liebsten setze ich einen großen Löffel mit dem Krautsalat in ein großes Picknickglas, lasse zwei Löffel Gnocchi darüber rieseln, vollende mit ein paar dünnen Scheiben Karree und würze noch mit einer Überdosis Pfeffer. Und im Idealfall träufle ich noch ein wenig Bratensaft über das Fleisch, das gibt den letzten Schliff.

Feine Musik für den Fahrtwind
Für die Fahrt zum Picknick gibt es noch eine nachdrückliche Platten-Empfehlung. Die New Yorker New-Wave-Band The Strokes hat vor einigen Wochen ein neues Album veröffentlicht. Es nennt sich „The New Abnormal“ und drängt sich so richtig auf, um bei offenem Fenster und frischem Fahrtwind gehört zu werden. Kein Wunder, ist es doch im Shangri-la-Studio direkt am Strand von Malibu aufgenommen worden. Dort gingen bereits Eric Clapton, Van Morrison, Pete Townshend oder Bob Dylan ein und aus.

Als Anspieltipps empfehle ich „Brooklyn Bridge To Chorus“, „Selfless“ oder – der Name ist Programm – „Eternal Summer“. Ich rate Ihnen, die Musik mit erhöhter Lautstärke und vorzugsweise stilgerecht mit Sonnenbrille zu genießen. Das passt im Juli einfach gut zum Sommer-Sonne-Sonnen-Schwein und fördert die Lebensfreude.

Zutaten (möglichst bio):
Pfefferkarree: Schweinekarree ohne Knochen (ca. 1,5 Kilogramm), für die Marinade 3 gehackte Knoblauchzehen, 1 Esslöffel Honig, 2 Esslöffel Sojasauce, 2 Esslöffel Rapsöl, 2 Esslöffel Apfelessig, 1 Teelöffel (möglichst geräuchertes) Paprikapulver, 1 Esslöffel gehackte, saisonale Kräuter (Rosmarin, Oregano, Salbei), 3 Esslöffel Rapsöl zum Anbraten, Salz und viel Pfeffer aus der Mühle

Zitronengnocchi: 500 Gramm mehlig kochende Kartoffeln, 40 Gramm Butter, 70 Gramm Kartoffelstärke, 1 Ei, 1 Zitrone, Salz, Pfeffer und Muskatnuss, ein paar Salbeiblätter und nochmals 20 Gramm Butter

Frühkraut: 1 Krautkopf (am besten frisches Spitzkraut), 1 Teelöffel Salz, einige Prisen Pfeffer, ½ Teelöffel Zucker, ½ Teelöffel ganzer Kümmel, 4 Esslöffel Weißweinessig, 6 Esslöffel neutrales Öl, zB auch Rapsöl

Musik:
Album „The New Abnormal“ von The Strokes aus dem Jahr 2020, produziert von Rick Rubin, Label Cult RCA, thestrokes.com

Post Author: Dan

2 Replies to “Pfefferkarree mit Zitronen-Gnocchi und Frühkraut”

  1. Hallo Dan,
    eigentlich bin ich absolut kein Fan von Gnoggi. Ich finde sie einfach wie ein „Mehlklumpen“ im Gaumen.
    Aber die Idee mit den Zitronen–Gnocci gefällt mir sehr. Mache ich gleich einmal und oprobiere sie aus.

    beste Grüße
    Franz

  2. Lieber Daniel
    Ich habe die „sauguate“ Sommervariante sehr genossen.
    Du sprichst der Flexitarierin in mir, aus der Seele, das tut sehr wohl.
    Großartig,👍👏👌
    Wenn Ferien so beginnen, kann alles BESSER werden. 😉
    Liebe Grüße Inge

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