Hart und klein: So müssen
nicht nur Kichererbsen sein.

Ist die Stimmung mal mau, hilft eine Extraportion Kichererbsen. Scharf mariniert als Salat oder im Ofen gebacken als italienisches Street-Food. Nützt das nichts, gibt es immer noch Musik, die alles gut werden lässt – diesmal von einer New Yorker Indie-Band.

Es sei eine knifflige Zeit für die Seele, so heißt es – und zwar immer dann, wenn der Schnee geht und wenn der Schnee kommt. Derzeit ist er im Begriff, zu gehen. Und das merkt man. Vieles wirkt gerade so, als wäre Dauer-Vollmond. Ein erster, kleiner Schritt zur Rückkehr guter Stimmung ist die Zubereitung einer lustig klingenden Hülsenfrucht – nämlich Kichererbsen. Die günstigste Therapie, die ich kenne.

Das liegt nicht nur an den hervorragenden Nährwerten der Kichererbsen. Über die vielen Vitamine freuen sich die Nerven und das Immunsystem. Der Körper wird Ihrem Geist zujubeln, wenn sie ihm wertvolles Eiweiß, Ballast- und Mineralstoffe sowie eine Menge Spurenelemente zuführen. Positive Eigenschaften aus Sicht der Ernährungswissenschaft werden im Probelokal stets zustimmend zur Kenntnis genommen, aber niemals überbewertet. Die treue Leserschaft weiß, dass der Geschmack an erster Stelle steht.

Hart und klein
Im Probelokal gehören zweierlei Sorten Kichererbsen zum Standard-Sortiment. Große Gelbe aus dem Libanon und kleine Braune aus dem niederösterreichischen Marchfeld. Bevor die getrockneten Samen eingeweicht und gekocht werden, um genussfreundlich zu werden und zum Kichern zu verleiten, sind sie jedoch hart und klein. Das verbindet sie mit mancher Entwicklung in der österreichischen Politik – in ihrer gespielten Härte steckt jede Menge Kleingeist.

Wer schafft die Arbeit?
Und dabei lande ich – eigentlich ohne die Absicht flapsiger Wortspiele – bei Beate Hartinger-Klein, unserer Ministerin für Gesundheit und Soziales. Manche kennen sie, seit sie gegen das Rauchverbot in der Gastronomie aufgetreten ist. Ähnlich fühlt es sich an, wenn ein Veganer die Massentierhaltung verteidigt. Und manche sind vor wenigen Tagen auf die Ministerin aufmerksam geworden, als sie im Parlament einen denkwürdigen Auftritt hatte, der mir vor lauter Fremdschämen die Gänsehaut auf den Rücken gezaubert hat. „Wer schafft die Arbeit?“, schrie sie vom Rednerpult. „Wer schafft die Arbeit? Wer schafft die Arbeit? Na sorry, die Wirtschaft schafft die Arbeit. Bitte merkt‘s euch das einmal.“

Ob die Sozialministerin vielleicht vergessen hat, dass die Wirtschaft ein Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage ist, dass dazu Unternehmen, private und öffentliche Haushalte gehören? Dass zur Wirtschaft wir alle gehören, die wir produzieren und konsumieren? Vielleicht hat sie es wirklich nur vergessen und der Auftritt war ein Einzelfall. Aber ob ständige Einzelfälle den kleinen Mann und die einfachen Leute auf Dauer freuen?

An den Herd gedrängt
Dass Politikerinnen mit solcher Haltung fest im Sattel sitzen, hat auch mit der hilflosen Opposition zu tun, die kürzlich etwa in sozialdemokratischer Gestalt nichts Besseres zu tun hatte, als zu lamentieren, dass die Frauen zurück an den Herd gedrängt würden. Welcher halbwegs im Leben stehende Mensch und welche selbstbewusste Frau lassen sich durch die Politik wirklich noch irgendwo hin drängen? Und dann ausgerechnet an den Herd? Da runzle ich die Stirn, während ich mich im Probelokal probehalber gefährlich nahe an den Herd dränge und im Kochtopf herum stochere. Angesichts der parteipolitischen Kommunikation brauche ich nun eine Extraportion Kichererbsen, damit mir das Lachen nicht vergeht.  

Damit wenigstens die Kichererbsen nicht hart und klein bleiben, lege ich sie am Vorabend des feinen Essens in reichlich kaltes Wasser ein. Am nächsten Tag spüle ich sie ab und koche sie in frischem Wasser auf. Dazu gebe ich gerne ein paar Kräuter, zB Rosmarin, und eine Knoblauchzehe. Das sorgt für einen subtilen Geschmack. Bei mittlerer Hitze köcheln die Hülsenfrüchte zugedeckt für eine gute Stunde. Es soll Trickser geben, die mit einer Prise Natron die Kochzeit verkürzen und die Schale weicher machen.

Scharfes Zitronendressing
Kurz, bevor die Erbsen weich gekocht sind, rühre ich mein Lieblingsdressing. Dazu presse ich den Zitronensaft in eine Schüssel und lasse ein paar Prisen Salz darüber rieseln. Mit einer Gabel verrühre ich die Mischung, bis sich das Salz auflöst. Dazu kommen Kreuzkümmel, Paprikapulver und ein paar Umdrehungen mit der Pfeffermühle.

Die dunkle Sorte Kichererbsen, fein mariniert.

Dann schneide ich eine rote Chilischote würfelig, Stiel und Kerne entsorge ich, nicht ohne mir nachher gut die Hände zu waschen. Einmal vergaß ich das und rieb mir die Augen. Seither vergesse ich das nicht mehr. Manchmal habe ich noch Zatar zuhause, eine arabische Gewürzmischung mit wildem Thymian, Sumach und geröstetem Sesam. Ein halber Teelöffel davon gibt dem Dressing den letzten Kick. Dann gieße ich eine Menge Olivenöl dazu.

Inzwischen habe ich die Kichererbsen weich gekriegt. Ich gieße sie ab und rühre sie noch warm in die Schüssel mit dem Dressing ein. Dann dürfen sich die Aromen einige Minuten verbinden, bis der Salat mit feinem Weißbrot festlich serviert wird. Das Austunken des Dressings zählt übrigens zu den feierlichsten Momenten jeder entspannten Jause.

Gelegentlich gesellen sich scharf angebratene Rinderhuft-Streifen zu den Kichererbsen.

Schöne, melancholische Musik
Begleitet werde ich beim Kichern von melancholischer Musik. Es läuft der Sound der New Yorker Indie-Rockband „The National“. Es heißt, dass sich die Stimmung vieler Menschen verdüstert, wenn Matt Berninger seine Bariton-Stimme erhebt. Im Probelokal ist das Gegenteil der Fall – viele Songs des Albums „Boxer“ verbreiten immer wieder eine Freude, dass es nur so zum Kichern ist. Dazu zählt der Hit „Fake Empire“, der sich 2008 zur Wahlkampf-Hymne von Barack Obama entwickelte. Und die beiden Titel „Slow Show“ – hier in einer akustischen Version dargeboten – und „Start a War“ zählen zu den angenehmsten Liedern, die ich kenne.

Arme-Leute-Street-Food aus Italien
Hochmotiviert von „The National“ probiere ich als Ergänzung zum Salat noch eine „Farinata“. Diese einfache Kichererbsen-Torte ist ein traditionelles Essen in ärmlichen Gegenden, das ein wenig in Vergessenheit geraten ist. Wird es jedoch stylish als „Street Food“ bezeichnet, klettert es in der Beliebtheitsskala plötzlich wieder nach oben.

Wiegen Sie das Kichererbsen-Mehl in eine Rührschüssel und gießen Sie das Wasser dazu. Mit einem Schneebesen rühren Sie kräftig durch. Dann decken Sie die Schüssel ab und lassen sie eine Weile stehen – das sollte mindestens eine Stunde sein, ich lasse sie über Nacht im Kühlschrank stehen.

Auf der Teigoberfläche ist in der Ruhepause Schaum gebildet – der wird einfach abgeschöpft. Dann gieße ich fünf Esslöffel Olivenöl in den Teig, würze mit Salz und Pfeffer und rühre nochmals durch. Dann heize ich den Ofen auf 200 Grad Umluft vor. Ein Blech oder eine Tarte-Form wird mit genügend Olivenöl ausgepinselt, bevor der Teig darüber gegossen wird. Darüber streue ich gehackte Frühlingszwiebeln und gelegentlich gehackte Rosmarin-Nadeln – das ist kein Muss, aber ein Kann. Oder besser noch ein Soll.

Farinata – mit Paprikapulver und Meersalz-Kristallen verfeinert.


Im Ofen backt die Farinata nun für rund 20 Minuten – achten Sie auf die Farbe und darauf, dass nichts anbrennt. Schön goldbraun soll sie werden. Darüber kommt noch etwas Salz und Pfeffer und dann sollte der Kuchen heiß gegessen werden. Sparsamen unter Ihnen sei verraten, dass die Zutaten dieses Gerichts auch in rauen Mengen nur wenige Euro kosten. In Bio-Qualität übrigens – damit niemand auf die Idee kommt, zu behaupten, bio sei teuer. Was ist teuer? Was ist teuer? Was ist teuer? Na sorry, gar nichts ist teuer, wenn es um Lebensmittel geht. Bitte merkt‘s euch das einmal!


Zutaten für etwa vier kichernde Personen:
Kichererbsen-Salat: 250 Gramm getrocknete Kichererbsen, 4 Esslöffel Zitronensaft, 7 Esslöffel Olivenöl, ½ Teelöffel gemahlener, möglichst gerösteter Kreuzkümmel, ½ Teelöffel Paprikapulver, am besten geröstet, ½ Teelöffel Salz, einige Prisen Pfeffer, eine rote Chilischote, evtl. etwas Zatar


Farinata: 300 Gramm Kichererbsen-Mehl (meist wird es geröstet angeboten), 900-1000 Milliliter Wasser, Salz, Pfeffer, 5 Esslöffel Olivenöl für den Teil und nochmals 3 zum Einfetten der Form, evtl. 3 Stangen Frühlingszwiebeln und gehackter Rosmarin

Musik: Album „Boxer“ von „The National“ aus dem Jahr 2007, produziert von Peter Katis und The National, Label Baggars Banquet


        

Post Author: Dan

One Reply to “Zweierlei von der Kichererbse: Scharfer Salat und Farinata”

  1. Dauervollmond trifft Kichererbsen. Liegt es an dieser besonderen Konstellation, dass du dich mit kulinarischen und musikalischen Rezepten, wirklich fein gespickt mit vortrefflich bissigen Seitenhieben, diesmal selbst übertroffen hast? Volltreffer!

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