Die Ferien-Schokolade-Manufaktur.

Neben Schwimmbad und Fußballwiese ist die Küche des Probelokals oft der dritte Ort des Ferienvergnügens für Kind und Kegel. Ganz uneigennützig ist das nicht: Unter dem Vorwand sinnvoller Kinderbeschäftigung freut sich das Kind im Manne klammheimlich über die Vorzüge der Ferienküche. Vor allem, weil sie auf Kalorien pfeift: Da werden Eiscremes gerührt, Obstkuchen gebacken oder Limonaden angesetzt. Höhepunkt der Woche: Wir spielen Schokoladenfabrik!

Sie kennen bestimmt die edel glänzenden Bilder aus dem Fernsehen: Gut gelaunte Chocolatiers mit weißen Mützen rühren geschmolzene Schokolade und verwandeln sie in feinste Pralinen. Dass in Wahrheit ein hochtechnisierter Maschinenpark für die industrielle Verarbeitung der Massenschokolade sorgt, die sich in jeder Tankstelle türmt, versteht sich von selbst. Dass unklar bleibt, woher die Riesenmengen Kakao stammen, wer ihn geerntet hat und welche Aktionäre daran verdienen, ebenso.

Deshalb machen wir uns heute selbst an die Schokolade-Veredelung. Die kleine Konzern-Verweigerung macht Spaß und schmeckt. Dazu brauchen wir zuerst unseren Verstand und dann unsere Hände. Der Verstand hilft uns, ehrliche Grundprodukte zu finden: Schokolade, Nüsse, Kokosraspeln und mehr. Erst danach sind die Hände gefragt, um die Feinheiten zusammen zu rühren.

Freuen Sie sich auf das Endergebnis: Einen sommerlichen Schokoladenteller.

Der Tipp der Schwiegermutter
Gut, dass ich vor wenigen Jahren über Empfehlung meiner Schwiegermutter den Weg zu Herrn Kombächer fand. Einen spätberufenen Chocolatier, der so bedacht und leidenschaftlich über Schokolade spricht, dass man sofort merkt, dass es ihm nicht primär ums Geld oder gar um die Förderung des Zahnärztestandes geht. Sondern um globalen Handel, Genuss, Lebensfreude und Gerechtigkeit. Schlichtweg um ein Produkt mit Seele.

Als ich Herrn Kombächers kleine Werkstatt besuchte, um meine neugierige Nase in flüssige Schokolade zu tunken, fiel mir das Silicon Valley ein. Ja, so muss es aussehen, wenn jemand in der Garage ein Geschäft aufmacht. Und dieser Steve Jobs der Schokolade zaubert in einem kleinen Grenzörtchen zwischen Deutschland und Österreich kleine Köstlichkeiten. Hausgemachte Schokolade ist mir eh lieber, als selbst programmierte Algorithmen.

So herrlich sieht eine große Lieferung aus Herrn Kombächers Manufaktur aus.

Inzwischen zum Schokoladenhändler unseres Vertrauens avanciert, verrät Herr Kombächer, wo er seine Ware bezieht. Der Kakao wurde in Südamerika zu fairen Konditionen angebaut und geerntet, um dann in einer Schweizer Manufaktur zu Schokolade conchiert zu werden. Das erledigt eine Conchiermaschine, die übrigens weder Wurst macht, noch Songconteste gewinnt. Dafür rührt sie aus Kakaobutter, Kakaomasse, Zucker und Milchpulver feine Schokolade.

Wir legen bald los
So, genug philosophiert, die Kinder wollen jetzt einfach etwas Süßes essen. Neben guter Schokolade brauchen wir noch einige Zutaten: Saftige Kokosraspeln aus Sri Lanka, geröstete Haselnüsse aus dem Piemont und Mandeln aus Mallorca. Zimt gehört auch dazu. Im Kühlschrank habe ich noch etwas Orangenöl gefunden, dazu noch sizilianische Bio-Zitronen und ein wenig übrig gebliebenes dunkles Haselnuss-Nougat und weißes Mandel-Nougat früherer Rezeptgeschichten. Die Zutatenliste hört sich paradiesisch an.

Auch das Endergebnis klingt nicht schlecht: Wir rühren uns heute nämlich Turrón. Der Begriff führt etwas in die Irre. Denn meist ist damit türkischer Honig gemeint, das Glück der Jahrmarktbesuche in der Kindheit, das mit viel Zucker und Eiweiß hergestellt wird. Unsere Variante nennt sich genau genommen Turrón de Chocolate. Darauf gebracht hat mich Patisserie-Großmeister Jordi Roca. Auch er verarbeitet unter diesem Namen Schokolade mit allen möglichen Zutaten.

Wir legen wirklich bald los
Ich weiß, wir sollten loslegen. Aber ohne Musik geht gar nichts. Es läuft wunderbarer Sound der Band „We Invented Paris“, die sich um den Schweizer Musiker Flavian Graber formiert hat. Im Probelokal gehört das Album „Rocket Spaceship Thing“ aus dem Jahr 2014 zu den Dauerbrennern. Höhepunkt ist der erhebende Titel Mont Blanc. „It’s time to move on – it’s time to climb the mountain and to cross the sea” heißt es da. Also dann – das klingt ja nach Ferien. Oder nach Aufbruchstimmung! Weitere Anspieltipps: Dance On Water oder Zeppelins in einer Unplugged-Version.

Wir legen jetzt endgültig los
Aber jetzt wirklich, liebe Kinder, liebe Leserinnen und Leser: Wir stellen einen Metallkessel auf einen Topf mit Wasser. Das Wasser wird erhitzt, aber nicht gekocht. Im Kessel werden auf dem Wasserbad die Schokolade und das Nougat geschmolzen. Mit einem Löffel können Sie immer wieder durchrühren. Ich ziehe den Hut vor Ihnen, wenn sie es schaffen, nichts vom Geschmolzenen zu kosten. Wir schaffen es nicht.

Endlich hat die Chocolaterie ihre Betriebstempteratur erreicht.

Daneben rösten wir in einer beschichteten Pfanne ohne Fett die gewünschten Zutaten an: Zuerst die Kokosraspeln. Sie sollten immer durchgerührt werden, denn sie verbrennen sonst leicht. Dazu kommen die Nüsse. Sie alle kommen zur geschmolzenen Schokolade, genauso wie die weiteren Feinheiten: Geriebene Zitronenschale, ein paar Tropfen Orangenöl oder das Zimt. Sie können noch Mohn, Pistazien und viele anderen Feinheiten dazu mischen. Kreieren Sie Ihre eigene Schokolade – das macht richtig Freude!

Die fertiggerührte Schokolade kommt nun in Formen. Wir haben einen Teil in eine viereckige Auflaufform gefüllt, die wir zuerst mit Klarsichtfolie auslegten. Und einen anderen Teil gossen wir in Silikonformen. Das ist sehr praktisch, denn nach dem Auskühlen können wunderbare Pralinen aus den Formen gedrückt werden. Übrigens: In die Silikonförmchen streuten wir vor dem Einfüllen noch ein paar glitzernde Zuckerperlen. Das ist kein Muss, freute aber die Jungchocolatiers in der Ferienküche. Und noch etwas: Die Förmchen sollten vor dem Einfüllen der Schokolade leicht angewärmt werden, damit keine Luftbläschen entstehen. Das habe ich verabsäumt, aber zum Glück hat Herr Kombächer die Fotos dieser Geschichte genau angesehen und mich darauf aufmerksam gemacht.

Jung-Chocolatiers dürfen den Rührkessel auskratzen. Im Hintergrund sehen Sie die übrigens die praktischen Silikonförmchen.

Wir haben in zwei Etappen gearbeitet, um zweierlei Turrón zu bekommen: Eine dunkle Variante, die aus einer Schokolade mit 50 % Kakaoanteil und Haselnuss-Nougat gerührt wurde; und eine helle Variante, die aus weißer Schokolade und weißem Mandelnougat besteht. Letztere war Bestandteil des Desserts beim Festessen zum einjährigen Jubiläum des Probelokals und freute offenbar die Gäste. Jetzt erfahren die acht Personen endlich, was sie da probiert haben.

Noch eine Empfehlung des Schokolade-Profis
Ich schließe mit einem Tipp des weisen Herrn Kombächer. Er empfiehlt nachdrücklich, immer nur kleine Bröckchen der besten Schokolade abzubrechen und diese ganz lange im Mund zu lassen, sie bewusst zu schmelzen, auf den Gaumen zu pressen und alle Geschmacksnuancen auszukosten.

So sah der Turrón beim Festessen des einjährigen Jubiläums dieser Seite aus.

Ja, das ist tatsächlich eine Zauberformel. Auf diese Weise werden die Schokolade-Portionen kleiner und der Genuss größer. Somit braucht man auch keine billigen Massen-Tafeln beim Discounter zu kaufen, sondern kann das gleiche Geld in kleinere Portionen hochkarätiger und fairer Schokolade investieren. Was wohl geschähe, wenn tausende Menschen Herrn Kombächers Rat befolgen würden? Es wäre jedenfalls ein Schritt in Richtung zukunftsfähigen Genusses.

Zutaten:
Weißer Turrón de Chocolate: 300 Gramm weiße Schokolade oder – noch besser – eine Mischung aus 200 Gramm weißer Schokolade und 100 Gramm weißem Mandelnougat, 50 Gramm Kokosraspel, 50 Gramm gehackte, geröstete Mandeln, etwas geriebene Schale einer Bio-Zitrone


Brauner Turrón de Chocolate: 300 Gramm dunkle Schokolade (für mich genügen 50 % Kakaoanteil, Sie können auch die bitteren Varianten nehmen) oder – noch besser – eine Mischung aus 200 Gramm dunkler Schokolade und 100 Gramm Haselnussnougat, 50 Gramm Kokosraspel, 50 Gramm gehackte, geröstete Haselnüsse, ein paar Tropfen Orangenöl

Musik:
Album „Rocket Spaceship Thing“ aus dem Jahr 2014 von We Invented Paris, Label Spectacular, www.weinventedparis.com

Post Author: Dan

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

You may also like

Porchetta im Bärlauch-Brot

Osterjause nach meinem Geschmack.

Fenchel auf Nudelsalat

Frühlingsgemüse-Gefühle.

Hereinspaziert und ausprobiert

Willkommen in Dan’s Probelokal!
Auf dem Menüplan dieses Online-Lokals stehen stets frische Rezeptgeschichten. Als Beilage gibt es musikalische Entdeckungen und kritische Blicke auf unsere Gesellschaft.

Newsletter-Anmeldung
Wer sich für den Newsletter anmeldet, bekommt die Rezeptgeschichten immer vorab, frisch und heiß serviert. Senden Sie einfach eine E-Mail mit Betreff „Newsletter“ an dan@probelokal.com. Ihre Adresse wird natürlich nicht weitergegeben. Bis bald!

Folgen Sie Dan’s Probelokal

In Arbeit

Wermutstropfen

Der Verbrauch von Wermut im Probelokal ist erstaunlich hoch. Das liegt daran, dass der mit Gewürzen und Kräutern verfeinerte Weißwein (zB aus dem Hause Noilly Prat) fixer Bestandteil von Saucen und Risotto ist. Auch als Aperitif ist er nicht zu verachten. Unlängst habe ich ein großes Einmachglas mit südsteirischem Weißwein, etwas Weinbrand, frischem Wermut-Kraut und einigen Gewürzen angesetzt. Schon in wenigen Wochen werde ich ein paar kleine Flaschen mit hausgemachten Wermut abfüllen. Die Vorfreude ist groß!

Politisches Essen

Der Maissalat im Probelokal zeigt Flagge. Für ein friedliches Europa!

Zweite Wahl

Im Probelokal werden viele Rezepte ausprobiert. Doch nicht aus jedem wird eine eigene Geschichte, weil schlicht die Zeit dazu fehlt. Deshalb sehen Sie hier wechselnde Gerichte zweiter Wahl.

Falls ich Ihnen ein Rezept dieser Spalte senden soll, dann schreiben Sie mir: dan@probelokal.com. Und wenn Sie wollen, dann spenden Sie als Gegenleistung dem Verein „Herzkinder Österreich“ ein paar Euro. Vielen Dank!

Rhabarberkuchen

Frühlingshaftem Rhabarberkuchen kann niemand widerstehen. Außer die zugelaufene Katz‘ – die hält gar nichts von solchen süß-sauren Feinheiten.

Oder:

Borschtsch

Zum ersten Mal in der Geschichte des Probelokals gab es Borschtsch – eine Spezialität in der Ukraine und in Russland mit Rinderbrust und viel Roter Bete. Ganz langsam gekocht in Gedanken an die vielen Menschen in den Krisengebieten.

Oder:

Knusprige Kartoffelknödelchen

Sind es zu groß geratene Gnocchi? Oder zu klein gerollte Knödel? Oder gar zu runde Schupfnudeln? Egal, diese kleinen Knödel aus Kartoffelteig schmecken vorzüglich. In brauner Butter geschwenkt, vielleicht noch mit ein paar Speckwürfeln. Alpen-Streetfood vom Feinsten!

Rezept-Geschichten