Alles gut!? Vanille-Eis und Musik aus Kanada zum Ende der Sommerfrische.

Es ist hart, liebe Freundinnen und Freunde des Probelokals – aber mit dieser Rezeptgeschichte endet das Thema „Sommerfrische“, das seit Mitte Juli diese Seite prägt. Wobei der zurückliegende Sommer mit Frische natürlich so viel zu tun hatte, wie Donald Trump mit kultivierter Kommunikation. Ein paar sprachliche und kulinarische Auffälligkeiten, die das Zeug haben, mit der Zeit auf die Nerven zu gehen, fielen mir diesen Sommer auf. Zum Beispiel eine plötzlich auftauchende Floskel, die im Sommer über mich hinein brach: „Alles gut?“ Diese zwei Worte höre ich seit Wochen ununterbrochen. Geht es Ihnen auch so? Kürzer und suggestiver kann das Erkunden nach dem Wohlergehen nicht mehr werden. Also: Alles gut in diesem Sommer. Wirklich alles gut? Die Wespen? Der Wassermangel? Die deutsche Nationalmannschaft? Der Laubbläser des Nachbarn? Der Wurm in der Zwetschge? Chemnitz? Oder die angstgetriebenen Innenminister unserer Breiten? Wirklich alles gut? Auch mir ist die Floskel schon herausgerutscht. Dabei ist natürlich nie alles gut, und das ist gut so.
Glück gehabt: Gleich, nachdem das Titelfoto geschossen wurde, machten sich die Kinder über das Eis her
Halblustige Eissorten nerven langsam Kommen wir zu den kulinarischen Auffälligkeiten des Sommers. Ich habe bemerkt, dass mir gezwungen-lustige Eissorten zunehmend auf die Nerven gehen. Ob es am Älterwerden liegt? Ich verstehe jedenfalls kaum mehr Spaß, wenn Eissorten Namen wie Gurke-Limette oder Safran-Rose tragen. Auch Bier-Eis, Spargel-Sorbet oder Apfel-Sellerie-Eis entlocken mir höchstens noch ein gefrierendes Lächeln. In einer Wiener Eisdiele wurde sogar Bärlauch-Zitronen-Eis angeboten. Der Wettlauf um die kurioseste Sorte führt aus meiner Sicht aufs Glatteis. Deshalb widme ich diese Rezeptgeschichte der Mutter aller Eissorten: Dem guten, alten, selbstgemachten Vanille-Eis. Klingt spießig. Aber ich versichere Ihnen einerseits ein hervorragendes Geschmackserlebnis. Und andererseits eine anspruchsvolle Zubereitung, in der zwei Herausforderungen auf Sie warten: 1.) das pannenfreie Rühren der Eier-Masse, die stets zu gerinnen droht; und 2.) der Disziplin fordernde Verzicht auf das restlose Aufessen der Masse, schon bevor sie in den gefrorenen Zustand übergeht. Aber die Mühe lohnt sich. Ein echtes Vanille-Eis ist eine unschlagbare Sorte! Vorausgesetzt, Sie verwenden die richtigen Zutaten. Zum Vergleich sollten Sie sich vorab die Zutatenlisten der konventionellen Eispackungen im Supermarkt zu Gemüte führen. Sie werden kryptische Namen wie Molkenerzeugnis oder Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren entdecken, dazu mehrere Süßstoffe wie Zucker, Glukosesirup oder Dextrose, dann noch Stabilisatoren, Beta-Carotin zur Farbgebung und – wenn überhaupt – einen Hauch zerriebener Vanilleschoten (das Mark wäre mir lieber). So falsch wie Milli Vanilli Mich erinnert das, nicht nur wegen des Namens, an „Milli Vanilli“. Dieses Musikduo landete Ende der 80er Jahre einige Nummer-1-Hits und gewann 1990 sogar einen Grammy als „Best New Artist“. Dumm nur, dass sich bald herausstellte, dass Milli Vanilli kein einziges Lied selbst gesungen haben. Produzent Frank Farian, den Sie vielleicht von „Boney M.“ kennen, ließ die beiden Sänger von Milli Vanilli zu seinen eingespielten Songs nur die Lippen bewegen. Offenbar konnten sie gar nicht singen. Als bei einem Auftritt die Playback-Einspielung stehen blieb, wurde der Schwindel aufgedeckt und der Grammy aberkannt. Im Probelokal schätzen wir weder den musikalischen noch den kulinarischen Schwindel. In der heutigen Geschichte brauchen wir gerade einmal sechs Zutaten für den echten Eis- und Hör-Genuss: Milch und Rahm, Eier, Zucker sowie eine Vanilleschote. Und dann noch ein Musikalbum zur Hebung der Laune bei der Zubereitung. Weniger ist mehr. Und je besser die Qualität der wenigen Zutaten, desto einzigartiger das Ergebnis. Feiner Sound aus Kanada Das fängt schon bei der Musik an. Kürzlich bin ich einer Folk-Singer-Songwriterin namens Basia Bulat auf die Spur gekommen. Die aus Polen stammende Kanadierin hat nicht nur eine wunderbare Stimme, sie spielt auch auf famose Weise Piano, Gitarre und ein Instrument namens „Autoharp“, eine Elektro-Zither, die in der amerikanischen Country- und Folk-Musik häufig verwendet wird. Ich habe mir unlängst das Album „Tall Tall Shadow“ zugelegt, dessen gleichnamiger Auftakt-Titel mir gar nicht mehr aus dem Kopf gehen will. Doch nicht nur mit ihrer Band, auch solo mit Gitarre ist der Titel eine Wucht, und er macht Lust auf weitere Alben von Basia Bulat. Mit diesen Klängen geht die Zubereitung viel leichter von der Hand. Zuerst spielen Sie Chirurg und schlitzen eine saftige Vanilleschote mit einem Messer der Länge nach auf. Mit dem stumpfen Messerrücken schaben Sie das Vanillemark heraus und befördern es in einen breiten Topf (kleiner Tipp: Die übrige Schote gebe ich immer in die Zuckerdose, das gibt nach ein paar Tagen feinen Vanillezucker.).
Die ausgeschabte Schote im Zucker wirkt Wunder: Bald haben Sie feinen Vanillezucker
In den Topf kommen dann ein halber Liter Rahm, ebenso viel Milch sowie 60 Gramm Zucker. Erwärmen Sie den Topf und schalten Sie den Herd aus, kurz bevor die Mischung kocht. Dann lassen Sie sie noch einige Minuten ziehen. Inzwischen trennen Sie 7 Eier – Sie brauchen für das Vanille-Eis nur das Gelbe vom Ei. Das Eiweiß stellen Sie einfach kühl und verarbeiten es mit einem anderen Rezept weiter (zB Eiweißkuchen oder Baiser – auf Anfrage an dan@probelokal.com sende ich Ihnen gerne einen Eiweiß-Rezepttipp). Das Eigelb schlagen Sie mit weiteren 60 Gramm Zucker in einem Rührkessel hellgelb und schaumig. Falls Sie sehr motiviert sind, tun Sie das händisch mit einem Schneebesen, ansonsten mit dem elektrischen Mixer. Die leicht abgekühlte Milch-Rahm-Zucker-Vanille-Mischung sieben Sie nun in dünnem Strahl in den Rührkessel mit dem Eigelb. Dabei rühren Sie ständig mit dem Schneebesen. Es gibt Momente im Leben, da hätte man gerne drei Arme – zum Beispiel jetzt. Aber Sie kommen bestimmt auch so klar. Behutsam rühren Den inzwischen geleerten Topf können Sie nun ein wenig ausspülen und mit genügend Wasser wieder auf den Herd stellen. Setzen Sie den Rührkessel auf den Topf mit Wasser und erhitzen Sie es langsam, aber sicher. In diesem Wasserbad wird die Vanille-Crème nun behutsam erhitzt und gerührt. Sie dürfen den Herd nun nicht mehr verlassen und müssen aufpassen, dass die Masse nicht zu schnell heiß wird. Das passiert mir gelegentlich, dann gerinnt das Ei und kleine Klumpen schwimmen in der Sauce. Falls das passiert, gießen Sie die Masse einfach durch ein Sieb und machen noch vorsichtiger weiter.
Im Rührkessel auf dem heißen Wasserbad wird die Masse cremig gerührt
Nach ein paar Minuten auf dem heißen Wasserbad wird die Crème auf wundersame Weise dicker und glänzender. Ist dieser Punkt erreicht, können Sie durchatmen. Die Sauce schmeckt nun so gut, dass man einen Löffel nach dem anderen probieren muss. Mit einem Schuss Inländerrum verfeinert, eignet sie sich optimal als Beilage zu Apfelstrudel. Wenn Sie diese Vanille-Sauce kennen, werden Sie die üblichen Fertigsaucen nur noch im größten Notfall anrühren. Aber bitte diszipliniert bleiben, schließlich geht’s heute ums Vanille-Eis! Deshalb lassen Sie die Sauce auskühlen und mehrere Stunden im Kühlschrank ziehen, am besten über Nacht. Die kühle Eismaschinen-Lobby Am nächsten Tag wird aus der Sauce das Eis gerührt: Falls Sie keine Eismaschine haben und auch nicht daran denken, eine anzuschaffen, können Sie die Eismasse in einem flachen Gefäß in den Tiefkühler stellen und abdecken. Dann müssen Sie jede Stunde kräftig durchrühren, damit eine cremige Masse entsteht. Doch die Anschaffung einer Eismaschine lohnt sich. Im Probelokal steht seit ein paar Jahren ein einfaches Modell ohne Kühl-Kompressor. Das leere Eisgefäß der Maschine muss 24 Stunden tiefgekühlt werden, damit die Kühlflüssigkeit im Inneren gefriert – und am nächsten Tag kann die Vanille-Masse in diesem kalten Gefäß cremig gerührt werden. Keine Sorge: Ich bekomme für diese Empfehlung keine Provision von der Eismaschinen-Lobby. Mit der will ich mich nicht anlegen, die ist sicher berüchtigt für ihr kühles Gesprächsklima und bekannt für ihr stets eiskaltes Vorgehen.
Die Eisschüssel leert sich stets im Rekordtempo
Den Großteil des cremig gerührten Eises serviere ich sofort. Den Rest friere ich in kleinen Formen ein, das freut mich dann an den Folgetagen. Eine halbe Stunde vor dem Servieren hole ich die Eisportionen aus dem Tiefkühler, lasse sie im Kühlschrank antauen und stürze sie auf einen Teller. Dazu passen klein geschnittene Früchte und Waffeln. Mit diesem spätsommerlichen Eisgenuss endet nun die Sommerfrische. Bald müssen Sie sich im Probelokal mit herbstlichen Gerichten und Geschichten anfreunden, die ich schon eifrig ausprobiere. Bleiben Sie gewogen! Zutaten: Jeweils 500 Milliliter Milch und Rahm, 120 Gramm Rohrzucker, 1 Vanilleschote und 7 Eigelb; zum Servieren ein paar Früchte, Waffeln oder gehackte Pistazienstücke als Deko. Musik: Zwei Alben der Folk-Singer-Songwriterin Basia Bulat, die beim Label Secret City Records erschienen sind: „Tall Tall Shadow” aus dem Jahr 2013, Produzenten Tim Kingsbury und Mark Lawson; und „Good Advice“ aus 2016, produziert von Jim James – es steht schon auf meiner Wunschliste.

Post Author: Dan

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