Heute gibt’s eins auf die rote Rübe. Oder zwei!

Wenn es draußen stürmt und schneit, schlägt die Stunde der Roten Bete. Erdig, würzig und süß sind nicht nur die Geschmacksnoten der beiden Gerichte, die ich aus ihr zubereitete. So fühlt sich auch der alternative Country-Sound von Brandi Carlile an, der mich beim Kochen mitwippen ließ. Jede Jahreszeit hat ihren Zauber. Der Wechsel der Saisonen in unseren Breiten ist ein Privileg – denn immer dann, wenn eine Jahreszeit droht, langsam langweilig zu werden, steigt die Vorfreude auf die nächste. Recht stark spüre ich das in den laufenden Wochen. Nachdem die ersehnten Weihnachtstage viel zu schnell zu Ende gegangen sind und die ersten Frühlings-Sonnenstrahlen noch in weiter Ferne liegen, braucht es Durchhaltevermögen. Denn es herrscht der winterliche Alltag. Der Schriftsteller und Musiker Max Goldt definierte diesen Alltag einmal als gleichzeitige Abwesenheit von Weihnachten, großer Liebe und Krieg. Na dann. Manche trinken sich die gegenwärtigen Wochen einfach schön, bei Faschingsumzügen, auf dem Opernball oder beim Après Ski. Wenn man aber Maskentreiben, Smalltalk und Guggamusig-Konzerte tendenziell meidet und nach einer strengen Arbeitswoche zu faul ist, um in den Schlangen der Skilifte zu stehen, dann hilft nur eines, um die gute Laune zu wahren: Kochen und Essen. Die Rübe mit den vielen Namen Zu den Stars der Wintersaison zählen die Roten Bete – ein Gemüse mit vielen Bezeichnungen. Egal, ob Sie dazu Beete, Randig oder Rüben sagen: Hauptsache, Sie machen das Beste daraus. Rote Bete schmecken nicht nur gut, sie enthalten auch viel Vitamin B, Kalium, Eisen und viel Folsäure. Als Kind hätte man mich damit jagen können – für mich roch ein Stück gekochter Randig genauso, wie ein Stück feuchter Erde aus dem Garten. Er ist definitiv kein Kindergemüse. Aber mit dem Erreichen des 40. Lebensjahres ändert sich manches. Man wird plötzlich gesiezt, die Haarfarbe wird als „interessant“ bezeichnet und der Gürtel muss ein wenig gelockert werden. Und irgendwann entwickelt sich auch eine pragmatische Liebe zur roten Knolle. Im Probelokal habe ich schon Rote-Bete-Pancakes mit Kren und Räucherlachs ausprobiert. Heute gibt es zwei weitere Interpretationen: Ein würziges Wintergemüse-Curry, das sogar Veganer jauchzen lässt. Und zum Dessert etwas Ungewöhnliches: Eine Crème Brûlée von der Roten Bete.
Das Wintergemüse steht bereit – lauter ehrliche, unspektakuläre Gewächse!
Folkrock mit Herzblut Bevor Sie in der Küche die Zutaten bereitstellen, sollten Sie sich um die musikalische Untermalung kümmern. Beim Ausprobieren der heutigen Gerichte liefen im Probelokal die Lieder der amerikanischen Folkrockerin Brandi Carlile. Ihr Sound klingt fast so, wie Randig schmeckt: Erdig, überzeugend und voller Herzblut. Ihr Erfolgslauf begann 2007, als ihr Album „The Story“ den Durchbruch schaffte. Darauf sind wunderbare Titel wie „The Story“ oder „Downpour“ zu hören. Zehn Jahre nach Veröffentlichung von „The Story“ erschien das Album „Cover Stories“, auf dem bekannte Musiker und Bands die Titel des Albums covern. Das klingt teilweise noch besser, als das Original. Etwa, wenn Pearl Jam „Again Today“ hinfetzen oder Old Crow Medicine Show „My Song“ fiddeln. Da wird einem im tiefsten Winter warm ums Herz. Das Vorwort zum Album schrieb übrigens Carlile-Fan Barack Obama. Und dass die Einnahmen des Cover-Albums in das Projekt „War Child“ fließen, das Kindern in Kriegsgebieten helfen will, passt zum Engagement von Brandi Carlile. Gut, wenn Musik nicht nur schön, sondern auch politisch ist. Stimmt der Sound, passt auch die Stimmung in der Küche. Um das Wohlfühl-Curry zuzubereiten, schneiden Sie die geschälte Zwiebel, den Knoblauch und den Ingwer in feine Würfel. Dann erhitzen Sie bei mittlerer Temperatur in einem großen Topf das Öl. Sie können Raps- oder Maiskeimöl verwenden, das sich geschmacklich nobel im Hintergrund hält. Ich wollte zuletzt aber eine asiatische Note schmecken und habe deshalb eine Mischung aus geröstetem Sesamöl und Kokosöl heiß gemacht. Darin schwitzen Sie die Würfel für ein paar Minuten an.
Das Wintergemüse gewöhnt sich im Topf aneinander
Agrarwende von unten In der Zwischenzeit bereiten Sie das weitere Gemüse vor. Nehmen Sie, was Sie am Bauernmarkt oder im Kühlschrank finden. Wenn Sie dabei das saisonale Angebot berücksichtigen und Ihr Geld einem regionalen Landwirt geben, der biologisches Gemüse anbaut, dann brauchen Sie gar nicht auf die Politik zu warten, um die Agrarwende einzuläuten. Dann haben Sie schon damit begonnen. In meinem Gemüsefach dümpelten unlängst Rote Bete, Sellerie, Champignons, gelbe Rüben und eine mächtige Süßkartoffel vor sich hin. Ich schälte, putze und würfelte die feinen Gewächse, dann gesellten sie sich in den großen Topf und brutzelten zwei Minuten vor sich hin. Nun verpassen Sie dem Gemüse die entscheidenden Geschmacksnoten: Hinzu kommen nämlich das Currypulver, eine kräftige Prise Salz und die Currypaste. Letztere könnte man selber machen, aber wenn es einmal schnell gehen muss, schnappe ich mir immer eine aus dem Weltladen. Dort gibt es exzellente rote und grüne Currypasten aus fairem Handel. Nur weil etwas fair gehandelt ist, muss es natürlich nicht auch gleich gut schmecken. Ist es aber gut und fair, dann ist ja alles gut. Wie bei den Currypasten.
Ein großer Löffel Currypaste bringt den Geschmack der weiten Welt in die Küche
Ein Schuss Gin ohne Tonic Sind die Gewürze untergerührt, kommt noch das Tomatenmark dazu. Dann wird mit einem Schuss Wein abgelöscht. Stattdessen verwendete ich kürzlich ausnahmsweise einen Schuss Gin, weil die Flasche mit dem hippen Wacholder-Schnaps gerade zum Herd herüber blinzelte. Dann rühren Sie um, lassen den Alkohol verdampfen und gießen das Curry mit der Gemüsesuppe auf. Der Eintopf köchelt nun für 20 Minuten vor sich hin. Ist das Gemüse bissfest gegart, geht’s ins Finale. Dazu kommen nun die Kokosmilch, einige Tropfen Zitronensaft, Pfeffer und Salz. Rühren Sie kräftig durch, lassen Sie das Curry nochmals aufkochen und probieren Sie. Dazu braucht es entweder gutes Brot, Cous-Cous oder eine Portion Reis.
Zum Curry schmeckt Basmati-Reis hervorragend
Vitamine zum Dessert? Zum Dessert gibt es etwas Ungewöhnliches: Eine Crème Brûlée von der Roten Bete. Die sieht nicht nur originell aus, sondern schmeckt auch so. Über viele Umwege ist das Rezept im Probelokal gelandet – den Ursprung genommen hat die Idee der Überlieferung zufolge im Restaurant Tian in Wien, irgendwann sind Fragmente davon im Probelokal angekommen. Ich habe es so weit abgeändert, dass es meinem Geschmack entspricht.
Herrliches Farbenspiel: Randig trifft Rahm
In einem Topf erhitzen Sie den Rahm, die Vanilleschote und den Rote-Bete-Saft. Sie bekommen ihn in fast jedem Superparkt in Bio-Qualität, und falls Sie einen Entsafter besitzen, sollten Sie ihn selbst herstellen. Schon dieses Farbspiel aus Saft und Rahm sieht hervorragend aus. Wenn das Gemisch zu köcheln beginnt, schalten Sie die Herdplatte aus und lassen die Flüssigkeit ziehen. Inzwischen heizen Sie den Backofen auf 130 Grad Umluft vor. Dann schlagen Sie mit dem Schneebesen im Rhythmus von Brandi Carliles Gitarre die Eigelbe, das Ei und den Zucker schaumig und sieben langsam die Rahm-Vanille-Bete-Mischung dazu. Sie sollte nicht mehr ganz heiß sein, damit die Eimasse nicht gerinnt.
Die Crème steht zum Abfüllen in Förmchen bereit
Knackendes Karamell Die rosa Flüssigkeit füllen Sie nun in ofenfeste Förmchen. Die stellen Sie in ein hohes Blech. Ins Blech gießen Sie nun heißes Wasser, das etwa bis zur Hälfte der Förmchen reichen sollte. In diesem Wasserbad garen die Crèmes nun für rund 45 Minuten im Backrohr, bis sie fest werden. Ist die Zeit um, stellen Sie die Förmchen kühl. Vor dem Servieren bestreuen Sie sie mit Rohrzucker, den Sie mit einem Bunsenbrenner abbrennen. Damit entsteht die herrlich knackende Karamell-Schicht, die der Crème Brûlée – der „gebrannten Crème“ – ihren Namen gibt. Es soll Kinder geben, die am liebsten nur die Karamell-Schichten herunter stibitzen und auf das Darunterliegende verzichten. Ich kenne welche.
Ein feines, ungewöhnliches Winter-Dessert!
Der erste Bissen der freigelegten Crème schmeckt noch etwas ungewöhnlich – aber gut! Ich habe jedenfalls gleich zwei Förmchen davon gegessen. Die Kalorienbombe habe ich mir unter dem Vorwand gesundgeredet, dass der großzügig eingesetzte Rote-Bete-Saft ja voller Vitamine, Kalium und Folsäure stecken soll. Ein gesunder Nachtisch? Naja. Für Gesprächsstoff unter Ihren Gästen sorgt er auf jeden Fall. Nun wünsche ich Ihnen noch einen entspannten Winter – und nicht vergessen: Am 31. März werden die Uhren schon wieder auf Sommerzeit umgestellt. Durchhalten! Zutaten für vier Personen: Wintergemüse-Curry: Insgesamt ein gutes Kilogramm festes Gemüse der Saison, bei mir war es eine Rote-Bete-Knolle (ca. 300 Gramm), ein Stück Sellerie (ca. 300 Gramm), eine Süßkartoffel (ca. 300 Gramm), 3 gelbe Rüben (ca. 300 Gramm), ein paar Champignons, eine Zwiebel, eine Knoblauchzehe, ein kleines Stück Ingwer, ein Esslöffel Kokosöl und/oder geröstetes Sesamöl, 1 gehäufter Esslöffel Currypulver, 1 Esslöffel Currypaste, 1 Esslöffel Tomatenmark, ein Schuss Gin oder Weißwein, 600 Milliliter Gemüsesuppe, 200 Milliliter Kokosmilch, ein wenig Zitronensaft, Pfeffer und Salz. Völlig egal, wenn Gewicht oder die Gemüsesorten variieren! Dazu: Brot, Cous-Cous oder Reis  Rote-Bete-Crème-Brûlée: 350 Milliliter Rahm, 150 Milliliter Rote-Bete-Saft, 5 Eigelb und 1 Ei, 50 Gramm Zucker, ½ Vanilleschote – zum Karamellisieren noch ein paar Prisen Rohrzucker, ich verzierte noch mit ein paar gehackten Pistazien Musik: Album „The Story“ von Brandi Carlile aus dem Jahr 2007, Produzent T-Bone Burnett, Label Columbia, www.brandicarlile.com  Album „Cover Stories“ mit div. Interpreten aus dem Jahr 2017, Label Legacy

Post Author: Dan

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