
Wärme speichern.
Sonnengereifte Äpfel und Birnen gegen drohende Kälte
Was für ein Sommer! Angesichts der Nervosität dieser Welt kamen mir die letzten Wochen fast unheimlich schön vor. Ich hoffe, dass auch Sie in den Ferien etwas Luft holen konnten, liebe Gäste des Probelokals.
Was von den sommerlichen Wochen bleibt? Auf jeden Fall viel Obst, das es nun zu verwerten gilt. Aber auch die Eindrücke der unbeschwerten Konzerte. Vielleicht haben Sie die beeindruckenden Überraschungs-Auftritte der Musiklegenden Joni Mitchell („Both Sides Now“) und Paul Simon („The Boxer“) beim Folk Festival in Newport gesehen. Dann wurde bestimmt auch Ihnen warm ums Herz.
Gegen so viel Wärme hatten die großen medialen Aufreger keine Chance. Sie entpuppten sich als Luxusprobleme: Wen stört es wirklich, wenn die finnische Ministerpräsidentin ausgelassen tanzt? Wenn Wagners Ring bei den Bayreuther Festspielen vom Regisseur vergeigt wird? Oder wenn weiße Musikerinnen Dreadlocks tragen? Neuerdings fühlen sich manch kritische Beobachter ja „unwohl“ ob solcherlei Vorkommnisse.

Aber ich vermute, dass diese – meist von sozialen Medien aufgeblasenen – Themen an den wirklichen Problemen der meisten Menschen vorbeigehen. Deshalb ist Gelassenheit angesagt. Unwohl wird mir jedenfalls weniger wegen tanzenden Politikerinnen oder originellen Frisuren.
Vielmehr hingegen wegen des spürbaren Klimawandels, des nahen Krieges und der Bedrohung unserer Demokratien. Die Angriffskrieg-Relativierer und Autokraten-Versteher bemühen sich ja eifrig, den gesellschaftlichen Frieden zu gefährden. Nie war ich mir so sicher, dass unsere westlichen Demokratien so wertvoll und verteidigenswert sind – trotz aller Unzulänglichkeiten, die stets verbessert gehören.
Jetzt Wärme speichern
Bald könnte es kalt werden, heißt es. Nicht nur wegen der Energie, die knapper und teurer wird. Wenn der Wohlstand schrumpft, die Pandemie nochmals anzieht und sich eine Armada populistischer Herausforderer im österreichischen Präsidentschafts-Wahlkampf aufmacht, die Stimmung zu verschärfen, dann könnte das gesellschaftliche Klima im Land weiter abkühlen.
Umso wichtiger ist es, die Wärme dieses Sommers zu konservieren. Das geht am besten mit Äpfeln oder Birnen, die mit feinen Gewürzen in Gläser gepackt werden. Heuer habe ich entdeckt, dass das Mus äußerst aromatisch schmeckt, wenn es aus Bratäpfeln gerührt wird. Und dass Verjus, der Saft unreifer Trauben, dem Birnen-Kompott eine angenehme Säure verleiht.

Für das Bratapfel-Mus verwende ich einen Berg an Äpfeln aus dem Garten. Da ich keine Chemie an sie heranlasse, sind auch die Würmer auf den Geschmack gekommen. Sie müssen zuhauf aus den Äpfeln geschnitten werden.
Der wohlbehaltene Rest des Obstes kommt ungeschält in eine Schüssel, dazu gebe ich einen Esslöffel Zucker, das Zimt und den Saft einer Zitrone. Nach dem Durchrühren platziere ich die Feinheiten auf einem Blech, das ich mit Backpapier ausgelegt habe. Bei 180° Umluft entsteht im Backrohr nun eine herrlich duftende Bratapfel-Masse.
Inzwischen bereite ich in einem Topf den Rest vor – Zucker, Zitronensaft und Gewürze. Die gebackenen Äpfel drücke ich mit der „Flotten Lotte“ (alternativ mit dem Kartoffelstampfer) in den Topf. Verfeinert mit etwas Apfelbrand fülle ich die Bratapfel-Masse dann in sterile Gläser ab.

Für das Birnen-Kompott schneide ich die Vanilleschote auf. Das ausgekratzte Mark kommt gemeinsam mit dem Zucker, den Gewürzen, dem Verjus und dem Wasser in einen großen Topf, um einige Minuten vor sich hin zu köcheln. In dieser Zeit schäle ich die Birnen, entferne Gehäuse und Getier und schneide sie in Schnitze. Sie kommen nun in die heiße Flüssigkeit, werden vorsichtig durchgerührt und gleich in sterile Gläser gefüllt.
Äpfel mit Birnen vergleichen
Was schmeckt besser – Äpfel oder Birnen? Das ist so, als müsse man sich zwischen den Beatles und den Rolling Stones, zwischen den Toten Hosen und den Ärzten entscheiden. Doch egal, ob in der Küche oder auf dem Plattenteller: Ich mag alles, was spürbar echt ist.
Gar nicht entscheiden können sich die Punch Brothers, wenn es um ihren Musikstil geht. Und das ist gut so. Die fünf Virtuosen auf Bluegrass-Instrumenten pendeln nämlich genüsslich zwischen den Genre-Grenzen. Sie schrecken nicht einmal vor den Brandenburgischen Konzerten von Bach zurück. Kürzlich ist das sechste Album namens „Hell on Church Street“ erschienen. Es passt besonders gut, wenn es ans Eingemachte geht. Dabei landen nämlich jede Menge „good vibes“ in Mus und Kompott.

Es wird eine Freude sein, an einem nasskalten Herbsttag ein Glas aufzuschrauben und diesen bodenständigen Luxus zu genießen. Vielleicht zu Kaiserschmarren oder Riebel. Dann wird mir auch an kalten Abenden, an denen die unsympathische Fußball-WM aus Katar über den Bildschirm flimmert, bewusstwerden, dass der nächste Frühling nicht mehr so weit ist. Gut zu wissen, dass auf zähe Phasen immer wieder lichte Momente folgen.
Knallrote Zugabe
Apropos lichter Moment: Als kleine Zugabe zu Mus und Kompott darf ich Ihnen noch das Rezept für kandierte Äpfel vorstellen. Sie kennen die knallrot umhüllten Früchte vielleicht von Jahrmärkten. Ich dachte, es wäre eine gute Möglichkeit, vitaminreiche Äpfel ansprechend zu verpacken, um sie dem Nachwuchs schmackhaft zu machen. Doch der Plan ist nicht aufgegangen: Mein Jüngster knabberte kürzlich genüsslich die knackende Hülle ab, um mir den übrigen Apfel zum Aufessen zu überreichen.

Waschen und trocknen Sie die kleinen Äpfel, entfernen Sie den Stiel und stecken Sie das Obst auf kleine Holzstäbe. Dann erhitzen Sie bei mittlerer Temperatur und unter ständigem Rühren den Zucker mit Wasser und Zitronensaft in einem großen Topf. Lösen Sie das Farbpulver in wenig Wasser auf und rühren Sie es gemeinsam mit dem Zimt in die Zuckermasse ein.
Dann schalten Sie die Temperatur auf kleine Stufe zurück und tauchen die Äpfel kurz in die Zuckermasse, bis sie mit dem roten Karamell überzogen sind. Danach werden die Äpfel kurz in eine Schüssel mit kaltem Wasser getaucht, damit das Karamell schnell fest wird. Auf einem mit Backpapier ausgelegten Blech warten die Äpfel nun auf ihre roten Kollegen.

Die kandierten Äpfel sind eine Attraktion zum Ferienende, denn sie versüßen unseren Jüngsten den bitteren Übergang von der sommerlichen Freiheit zum Schulbeginn. Möge ihnen wenigstens das Maskentragen und Testen erspart bleiben. Kinder und Jugendliche haben nach den zähen letzten Jahren jegliche Unterstützung verdient.
Zutaten:
Bratapfel-Mus: Gut 1,5 kg Äpfel, 2 Zitronen, 50 g Zucker (etwas mehr, falls sie saure Äpfel erwischen – Sie können einen Teil des Zuckers auch durch Honig oder Ahornsirup ersetzen), 1 kräftige Prise Zimtpulver, 1 Sternanis, 2 Nelken, evtl. ein Schuss Apfelbrand
Birnen-Kompott mit Verjus: Gut 1,5 kg Birnen, 1 Zitrone, 300 ml Verjus, 300 ml Wasser, 150 g Zucker, 2 Nelken, 1 Zimtstange, 1 Vanilleschote, 1 Sternanis
Kandierte Äpfel: 8 kleine Äpfel, 500 g Kristallzucker, 5 EL Wasser, 1 EL Zitronensaft, 1 kräftige Prise Zimt, etwas rote Lebensmittelfarbe aus dem Bioladen (meist Rote-Bete-Pulver)
Musiktipp:
Album „Hell on Church Street“ von den Punch Brothers aus dem Jahr 2022, Label Nonesuch, www.punchbrothers.com

Lieber Dan!
Danke, es ist wieder mal liebevoll vorbereitet und raffiniert serviert 😀
Ja bald geht es ans Eingemachte, da dreh ich Hubert von Goisern auf:
…Wann ma lang so weiter hoatzen,
brennt da Huat…
Der Winter ist auch nicht mehr weit, weit weg.
Mittlerweile zählt Atomkraft zur grünen Energie.
Schnell vergessen Jahrzehnte lange angestiegende Krebserkrankungen vieler Kinder auch in kilometerweiter Entfernung.
Gehts der Wirtschaft gut, gehts der Wirtschaft gut.
Sparen ist auch unpopulistisch und unbequem. Schnell vergessen ist die Geschichte oder auch die Berichterstattung aus der Ukraine.
Ich tanze trotzdem, am besten zu Lordi – Hallelujah und kämme mir meine Dreadlocks aus. 😉 Viele Dinge brauchen eben Geduld und Humor.
Zumindest beruhigend, dass es Menschen gibt, denen auch nicht alles egal ist.
Dann drehe ich das neue Muse Album auf und schaue mir die Wahlprogramme der bevorstehenden Wahlen an.
Schönes Wochenende! Lisa