Gipfeltreffen zum Frühstück.

Dank frischer Croissants ist alles in Butter

Im Alltag ist das Frühstück kein Vergnügen. Schließlich hat man morgens schon alle Hände voll zu tun, um die Spuren des Kopfkissens aus dem Gesicht verschwinden zu lassen. Und es ist schon ein Erfolg, wenn es gelingt, die Kinder zeitgerecht und – trotz pubertären Widerstands – halbwegs der Witterung entsprechend gekleidet zum Verlassen der Wohnung zu bewegen.

Kann das Frühstück unter diesen Umstände Freude bereiten? Eher nicht. Das trockene Brot und der Filterkaffee werden da höchstens aus rationalen Gründen eingenommen. Schließlich möchte man wach werden und frühzeitiges Magenknurren verhindern.

Doch in den Ferien schlägt die Stunde des ausgedehnten Frühstücks. Plötzlich schwingt man sich mit Leichtigkeit zur Kaffeemaschine. Und während die Vögel vergnügt zwitschern, tänzelt man im Stile eines nonchalanten Frühstücksdirektors über die Terrasse, um unter blauem Himmel Croissants in Erdbeer-Marmelade zu tunken und das neue Album von Souad Massi zu entdecken.

Was für eine Ferien-Kombination: Croissants und Marmelade glänzen in der Morgensonne.

Folk aus Algerien
Die algerische Sängerin, Songwriterin und Gitarristin setzt sich mit den politischen Schwierigkeiten in ihrer Heimat auseinander. Nicht zuletzt daran erkennt man, dass sie nicht nur Maghreb-Pop produziert, sondern auch eine Vorliebe für Folk mit französischer Note hat. Denn Merkmal dieses Genres ist ja, trotz bezaubernden Klangs gesellschaftskritische Töne anzuschlagen. Etwa beim Titel Dib El Raba. Spätestens, wenn Souad Massi auf ihrem zehnten Album auch noch Johnny Cashs Hurt in arabischer Sprache anstimmt, ist es um den frühstückenden Folk-Liebhaber natürlich geschehen.

Alles in Butter
Ich empfehle, die Croissants in den Sommerferien zwischendurch selbst zu backen. Das ist gar nicht so schwer und verdeutlicht, wie unfassbar viel Butter im Teig steckt. Doch darüber sieht man angesichts der sommerlichen Leichtigkeit schmunzelnd hinweg. Der Frühstücks-Alltag kommt schließlich schon bald wieder.

Außerdem rate ich Ihnen, sich von allzu korrekten Zeitgenossen kein schlechtes Gewissen einreden zu lassen. Schon gar nicht zum Auftakt der Sommerferien! Gut möglich, dass nämlich ausgerechnet beim ersehnten Biss ins knusprige Croissant ein Dreikäsehoch des Weges kommt und kopfschüttelnd erklärt, dass für die Zubereitung eines halben Kilos Butter zehn Liter Milch benötigt werden. Die natürlich von der Kuh stammen und eigentlich fürs Kalb bestimmt wären, die wiederum gemeinsam die Schuld an beachtlichen Treibhaus-Emissionen tragen. Stimmt eh. Aber darum backe ich mir auch nicht jeden Tag Croissants, sondern nur zu Hochzeiten wie dem Ferienbeginn. Dann jedoch ganz ohne Reue und verzweifeltes Gesicht.

Darauf dürfen Sie sich freuen.

Unsympathische Uhr
Doch nicht nur leibhaftige Ernährungspäpst*innen bemühen sich, den Genuss zu dämpfen. Nein, es sind inzwischen auch die digitalen Aufpasser. Sogar meine Smartwatch zeigt sich seit geraumer Zeit von ihrer spießigsten Seite. Anstatt mir zum genüsslichen Frühstück herzlich zu gratulieren, rät sie mir schon morgens nachdrücklich zu mehr Bewegung. Wäre die Uhr nicht so teuer, müsste man sie glatt in die Ecke werfen. Das Tagesziel eines Ferienmorgens sollte nämlich nicht aus gelaufenen Schritten oder erklommenen Stufen bestehen. Sondern aus genüsslich verdrückten Kalorien anlässlich eines ausgedehnten Frühstücks mit Croissants und Erdbeermarmelade.

Aber nun endlich zur Zubereitung der gewichtigen Teilchen, sonst verzettle ich mich. 50 Gramm der Butter kommen in die Rührschüssel einer Küchenmaschine, um bei Zimmertemperatur weich zu werden. Dann brösle ich die Hefe in lauwarmes Wasser und löse sie unter Rühren auf. Zur weichen Butter kommen dann Mehl, Ei, Salz, Honig und Zucker. Die Mischung verrühre ich zunächst bei kleiner Stufe, nach wenigen Minuten erhöhe ich auf mittlere Stufe, bis ein kompakter Teig entsteht.

Der Bischof rührt um
Dann decke ich die Schüssel ab und lasse den Teig mindestens für eine Stunde ruhen. Später rolle ich den Teig länglich aus, etwa auf die Maße von 60 x 30 cm. Die restlichen 400 Gramm Butter werfe ich in die Küchenmaschine und verrühre sie mit dem Flachrührer, der in Küchenmaschinen-Fachkreisen übrigens „Bischof“ genannt wird. Die Exzellenz unter den Rührhilfen!

Auf einer Bahn Frischhaltefolie rolle ich nun den großen Haufen Butter zu einer Platte aus. Sie sollte etwa 30 x 30 Zentimeter groß sein. Diese stelle ich für eine halbe Stunde in den Kühlschrank. Dann lege ich die Butterplatte in die Mitte der Teigplatte, sodass links und rechts des Butters jeweils ca. 15 Zentimeter Teig überstehen. Die Teigseiten klappe ich über die Butter, als würde ich ein Handtuch zusammenlegen.

Dann drehe ich die Teig-Butterplatte und rolle sie mit einem Nudelholz knapp 1 Zentimeter dünn aus. Wieder klappe ich den Teig zusammen, diesmal von oben und unten zur Mitte und dann gleich nochmals von links und rechts. Das erinnert die Kinder der 80er bestimmt an den Origami-Unterricht bei „Am Dam Des“ auf FS1. Wieder rolle ich auf 1 Zentimeter aus, klappe nochmals von oben und unten zusammen und rolle dann noch dünner – auf ca. 5 Millimeter – aus.

Das finale Bepinseln erledigen meist die Jüngsten.

Mit einem Messer oder dem Pizzaroller schneide ich Dreiecke (ca. 7 x 30 Zentimeter) und rolle sie zu Croissants auf. Ich bepinsle die Teiglinge noch mit einer Mischung aus verquirltem Eigelb und Rahm und backe sie bei 160 Grad Umluft auf Blechen, die mit Backpapier ausgelegt sind. Bis zur Frühstücks-Herrlichkeit dauert das rund eine Viertelstunde. Ich wünsche Ihnen einen schönen Sommer!

Zutaten:
1 Kilogramm Mehl (Typ 480 in Österreich), 1 Hefewürfel (ca. 40 Gramm), 1 Ei, 20 Gramm Salz, 20 Gramm Honig, 450 Gramm (!) Butter und gut 400 Milliliter Wasser – vor dem Backen noch 2 Eigelb und ein Schuss Rahm

Musiktipp:
Album „Sequana“ von Souad Massi aus dem Jahr 2023, Label Virgin

Post Author: Dan

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