Ein beeriger Café-Nachmittag mit französischem Flair.

Manchmal erahne ich, wie sich Dornröschen beim Blick aus ihren Gemächern gefühlt haben muss. Denn auch vor meiner Haustüre stehen dicke Dornen-Sträucher. Ich brauche sie aber nicht, um meine Tür zu bewachen, sondern um mich Jahr für Jahr an der reichen Brombeer-Ernte zu erfreuen. Das Wort Brombeere stammt vom althochdeutschen Wort „Bramberi“ ab, was „Beere des Dornstrauchs“ bedeutete. Das Abnehmen der Beeren in der gerade laufenden Erntezeit birgt aufgrund der Stacheln ein gewisses Verletzungsrisiko. Das fühlt sich an wie ein Laktat-Test des Hausarztes bei der Vorsorge-Untersuchung. Aber die Beschwerlichkeit zahlt sich aus, denn ich konnte eine Schale sonnenwarmer Brombeeren für diesen feinen Sommerkuchen pflücken. Und ich bin geneigt, die Beeren gleich zu essen und mich an den beeindruckenden Nährwerten zu erfreuen. Offenbar sorgen die Vitamine und Mineralstoffe für gesunde Augen und sind wichtig für den Stoffwechsel. Brombeeren wirken positiv auf die Verdauung und beugen bei regelmäßigem Verzehr auch noch Herz-Kreislauferkrankungen vor. Da brauche ich ja gar kein teures Superfood zu importieren! Chia-Samen, Spirulina-Algen oder Goji-Beeren können mir gestohlen bleiben, solange ich nur drei Schritte vor die Tür setzen muss, um mich am stacheligen Brombeerstrauch zu bedienen.
Es gibt Schlechteres vor der Haustüre, als dornige Brombeer-Sträucher
Doch alle, die nun denken, in Dan’s Probelokal gehe es um herausragende Nährwerte und Vitamine, muss ich enttäuschen. Denn wir sind der festen Überzeugung, dass maßvoller Hochgenuss gesünder hält, als hartnäckiges Kalorienzählen. Allein schon, weil man beim Genießen zufriedener ist. Deshalb hüllen wir die Brombeeren in einen wohlschmeckenden Kuchenteig mit feinen Aromen von Vanille und Zitrone. Dazu nehmen Sie schon frühzeitig eine Packung Butter und fünf große Eier aus dem Kühlschrank, damit diese beiden Hauptzutaten Zimmertemperatur annehmen können. Dann treffen Sie die weiteren Vorbereitungen: Heizen Sie das Backrohr auf 180 Grad vor (bei Umluft 160 Grad). Klemmen Sie Backpapier in eine Kuchenform von ca. 26 cm Durchmesser, streichen Sie die Form mit etwas Butter aus und streuen Sie sie mit ein wenig Mehl oder gehackten Haselnüssen aus. Waschen und trocknen Sie eine Bio-Zitrone und schaben Sie aus einer Vanilleschote das Mark heraus. Wiegen Sie 250 Gramm Brombeeren und gleich viel Zucker ab. Ebenso bereiten Sie 180 Gramm Mehl und 70 Gramm Maisstärke vor. Es macht Spaß (und füllt den Geschirrspüler), die Zutaten in kleinen Schüsseln herzurichten und dann im Stile eines Fernsehkochs elegant und zügig zusammen zu mischen. Wenn Sie dazu moderieren und grinsen, fühlen Sie sich wie im TV-Kochstudio. Weiter geht‘s: In einer großen Rührschüssel rühren Sie mit einem Handmixer die zimmerwarme Butter schaumig. Dazu kommen nun die feinen Aromen – reiben Sie die Schale der Zitrone darüber, aber nur die oberste, dünne, gelbe Schicht. Auch das Vanillemark und eine Prise Salz gehören dazu. Abwechselnd geben Sie nun den Zucker und die einzelnen Eier dazu, dazwischen rühren Sie kräftig, damit sich die Zutaten gut vermengen.
Kinder ziehen gerne Brombeer-Kreise in den Kuchen. Probieren erlaubt!
Mit einem Schneebesen rühren Sie von Hand das Mehl und die Stärke ein, dazu kommt noch ein halber Teelöffel Backpulver. Den entstandenen Teig streichen Sie nun in die Kuchenform. Darauf verteilen Sie die Brombeeren – eine fast meditative Arbeit, die daheim gerne die Kinder verrichten. Dabei wandert manchmal eine Brombeere in den Kindermund, aber aufgrund der eingangs geschilderten Nährwerte nehme ich das wohlwollend zur Kenntnis. Der Kuchen darf nun für gut 40 Minuten ins Backrohr. Wenn er schön braun ist, holen Sie die Form aus dem Ofen. Nach kurzem Abkühlen lösen Sie den Kuchen mit einem Messer vorsichtig von der Backform. Vor dem Servieren bestreuen Sie ihn mit Staubzucker. Ich schlage gerne noch eine Packung Rahm auf, die ich mit einem Löffel Staubzucker süße und mit einigen Brombeeren verrühre. Diesen Brombeer-Rahm serviere ich dann zum Kuchen. Kalorien werden heute nicht gezählt, sondern genossen. Bevor die Gäste auftauchen, gilt es nun, den Tisch zu decken, Kaffee zu kochen und Musik einzulegen. Die passende Untermalung des sonnigen Kaffeeklatsches liefert die französische Sängerin Keren Meloul, die unter dem Künstlerinnenname „Rose“ auftritt. Eine Hommage an das Land des neuen Weltmeisters, gesungen von einer Frau aus Nizza, die exakt am selben Tag zur Welt gekommen ist, wie ich. Die gemütliche, gefällige Popmusik ihres gleichnamigen Albums „Rose“ tut keinem Gast weh. Vielmehr unterstreicht sie die sommerliche Stimmung, und fast wähnt man sich dabei in einem Café an der Seine. Dann dürfen die Gäste kommen. Es macht übrigens auch nichts, alleine zu sein. Dann brauchen Sie den Kuchen nicht zu teilen und genießen ihn in aller Stille – ich habe es probiert und kann es zwischendurch nur empfehlen. Vor allem, wenn dazu noch die französische Lektüre passt. Planen Sie eine friedliche Revolution, zumindest eine Veränderung des politischen Klimas, dann lassen Sie sich vom Büchlein „Empört Euch“ aus der Kaffee-Gemütlichkeit reißen. Geschrieben hat es der UN-Diplomat und frühere „Résistance“-Kämpfer Stéphane Hessel, der im Alter von 95 Jahren im Jahr 2013 gestorben ist. An der 1948 von den Vereinten Nationen verabschiedeten allgemeinen Erklärung der Menschenrechte hat er ebenso mitgeschrieben. Man kann nicht oft genug daran erinnern. Und falls Sie sich die Kaffeelaune gerade nicht mit Gedanken rund um die Entwicklung unserer Gesellschaft trüben lassen wollen, dann sollten Sie sich das unglaublich gute französische Schokoladen-Kochbuch „Larousse Schokolade“ von Pierre Hermé gönnen. Sie werden dabei in 380 französisch geprägten Schokolade-Rezepten schwelgen und aus dem Staunen und Nachkochen nicht heraus kommen. Zutaten für einen sommerlichen Kaffee- und Kuchen-Nachmittag: 250 Gramm Butter, 250 Gramm Zucker (ich nehme am liebsten Bio-Rohrzucker aus dem Weltladen), 5 große Bio-Eier, 180 Gramm Mehl (gerne Bio-Dinkelmehl), 70 Gramm Maisstärke, ½ Teelöffel Backpulver, Mark einer Vanilleschote, Prise Salz, abgeriebene Schale einer Bio-Zitrone, 250 Gramm Brombeeren; dazu 250 ml Rahm und nochmals 50 Gramm Brombeeren zum Einrühren Getränk: Starker Filterkaffee mit Schlagrahm-Haube (aber ohne Brombeeren) Musik: Album „Rose“ der gleichnamigen Künstlerin Rose; Label: Source; Vertrieb: EMI Lektüre: „Empört Euch“ von Stéphane Hessel (Original-Titel „Indignez-vous“), erschienen im Ullstein-Verlag; und/oder Larousse Schokolade von Pierre Hermé, erschienen im Verlag Christian München (Original-Titel „Larousse du Chocolat“) – die Themen der Bücher schließen sich meiner Meinung nach nicht aus!

Post Author: Dan

2 Replies to “Brombeer-Kuchen”

  1. Hallo Daniel,

    das Rezept des Brombeerkuchens wird „demnächst“ im Hause Schwendinger ausprobiert.
    Einerseits schaut der aufgetischte Kuchen mit dem Brombeerschlag sehr verlockend aus, andererseits haben auch wir das Glück einen Brombeerstrauch im Garten zu haben und eine große Anzahl wird täglich süsser.
    Berichte dann ob wir das Rezept auch richtig angewendet haben.
    Schöne Grüße
    Toni

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