Ab ins Wintergemüse!

Nach den üppigen Feiertagen darf der Jahresanfang wieder etwas schlichter ausfallen. Das zeigt sich nicht nur im Speiseplan, sondern auch auf dem Plattenteller. Nach den feierlichen Weihnachtsfanfaren stellen wir uns nämlich noch auf ein paar Wochen Corona-Tristesse ein. Frische Schwarzwurzeln und ein herausragender Nick Cave helfen, die Zeit bis zum Frühling und der Impfung gut zu überstehen.

Das waren sie also, die ersten pandemischen Weihnachten meines Lebens. Hoffentlich waren es für lange Zeit die letzten dieser Art. Es fehlte nämlich einiges, etwa die liebgewonnenen Familien-Zusammenkünfte, das Handgemenge beim Griff nach den beliebtesten Keksen und die Inbrunst beim gemeinsamen Singen der Weihnachtslieder.

Und doch waren sie wichtig, die Feiertage im kleinen Kreis – wie eine kurze Atempause mitten im Corona-Wahnsinn. Für ein paar Tage schienen selbst die Wut-Poster in den sozialen Medien milde gestimmt. Es wurden zur Abwechslung Christbäume, Fondue-Geschirr und Sekt-Gläser online gestellt. Fast so, als hätte der Zauber des Weihnachtsfestes auch die militantesten Poster für ein paar Tage gezähmt. Das Christkind ist offenbar zu allem fähig.

Man machte also das Beste aus der Situation, genoss Apfelpunsch und Kekse und wickelte sich am Abend in die Decke ein, um ganz traditionsbewusst die Weihnachtsfolgen von Gerhard Polt oder Loriot zu absolvieren – wobei die Erkenntnis von Opa Hoppenstedt, dass früher mehr Lametta war, heuer in besonders hohem Maße zutraf.

Mit den Schwarzwurzeln kann man übrigens auch hoffnungsvoll die neuen Jahreszahlen legen. In den Ferien ist Zeit für solche Dinge.

Ein neuer Weihnachts-Ohrwurm
Und natürlich achtete man auf die richtige Weihnachtsmusik. So kommt es, dass Kind und Kegel inzwischen den südamerikanischen Weihnachts-Ohrwurm „Mi Burrito Sabanero“ vor sich her summen. Den Titel packte die Band Calexico mit Gastsängerin Gaby Moreno auf das neue Weihnachtsalbum „Seasonal Shift“. Es lief im Probelokal in den letzten Tagen auf Hot Rotation und ist nun nicht mehr aus den Köpfen zu bringen – das schaffte früher nur „Feliz Navidad“. Wurde auch Zeit, dass es abgelöst wird.

Muti machte Mut
Musikalisch bewegend war auch das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker. Maestro Riccardo appellierte in seiner kurzen Ansprache erwartungsgemäß an unseren Muti. Doch beim Anblick der leeren Besucher-Ränge im Musikverein überkam mich eine gewisse Traurigkeit. Und als ich beim Radetzkymarsch einsam mitklatschten musste, wurde mir die historische Dimension dieses Momentes erst so richtig bewusst.

Nick Cave spielt solo
Die Besonderheit der aktuellen Lage erkannte auch Nick Cave. Nur mit seiner Stimme und einem Flügel spielte der australische Musiker und Poet im Alexandra Palace im Norden Londons das Album „Idiot Prayer“ ein. Ein Meisterwerk, wie ich finde. Reduziert, melancholisch und voller Ausdruck – die ideale Musikuntermalung für den Anfang dieses Jahres, damit auch in den grauen Tagen des Jänners deren Schönheit durchschimmert.  

Ein Bild von der magischen Stimmung im leeren Alexandra Palace gewinnen Sie im Titel „Galleon Ship“. Als Hörbeispiel empfehle ich auch „Into My Arms”, einer meiner Cave-Lieblingslieder. An meiner Pinnwand droht unterdessen die Eintrittskarte zu seinem geplanten Konzert in Zürich zu verstauben. Es wurde bereits zweimal abgesagt. Aber wenn ich an den wachsenden Kultstatus von Cave denke, gewinnt sie vielleicht noch an Wert.

Optisch nicht gerade reizvoll: Die Schwarzwurzeln, bevor sie in die Küche dürfen.

Reduktion im Suppentopf
Nicht nur auf dem Plattenteller, auch im Suppentopf empfiehlt sich nach den fetten Tagen eine gewisse Reduktion. Da die im Spätsommer eingelegten Vorräte langsam zur Neige gehen, endet meine Suche nach saisonalem Angebot bei den Schwarzwurzeln. Dieses Winter-Gemüse liegt offenbar nicht im Trend. In der Gemüseabteilung des Supermarktes fristen die erdigen Wurzeln jedenfalls ein Randgruppen-Dasein.

Klar, sie sind nicht so etepetete wie ihre schillernden Verwandten, die Spargel, die sich die Hobbyköche im Frühling wieder aus den Händen reißen werden. Schwarzwurzeln sind ehrlicher, rauer und dreckiger, sie lassen sich auch nicht so in Szene setzen und werden als Instagram-Posting nur wenig Zuspruch ernten.

Wo sind die schwarzen Wurzeln?
Da drängen sich Parallelen zur Bundespolitik auf. Schließlich drehte auch Österreichs Kanzler seine Partei werbewirksam von schwarz auf türkis und setzt auf marketingtechnisch bestens aufbereitete Botschaften und Bilder. Doch vielleicht wäre es für Land und Leute auf Dauer gut, wenn er sich mehr auf die schwarzen – also christlich-sozialen – Wurzeln besinnen würde.

Das hilft nicht in jeder Umfrage, trägt aber zur langfristigen Glaubwürdigkeit und zur Orientierung für vielerorts verunsicherte Menschen bei. Angela Merkel zeigt übrigens, dass man auch mit persönlichen Überzeugungen und einer Portion Empathie durchaus Mehrheiten erzielen kann. Man darf seinen Wählern etwas zutrauen, selbst das Eingestehen von Fehlern. Inzwischen dürfte das sogar im obrigkeitsgläubigen Österreich der Fall sein, so hoffe ich jedenfalls.

Links die Schalen, rechts die in Zitronen-Wasser zwischengeparkten Schwarzwurzeln.

Zur Suppe, zur Suppe
Die Suppe ist übrigens schnell gemacht – Sie sollten jedoch etwas Zeit fürs Waschen und Schälen des Gemüses einplanen. Nachdem das erledigt ist, wird es rasch in Stücke geschnitten und in eine Schüssel mit kaltem Wasser und dem Saft einer halben Zitrone gelegt. Sonst würde es sich nämlich bräunlich färben, was weder in der Politik, noch in der Küche ein wünschenswerter Zustand ist.

Zerlassen Sie die Butter im Topf und schwitzen Sie die fein gehackte Zwiebel darin an. Dann kommt das in Stücke geschnittene Gemüse dazu. Schwenken Sie es durch und löschen Sie es nach zwei Minuten mit dem Wermut ab. Das zischt und duftet! Nachdem der Alkohol verdampft und eingekocht ist, gießen Sie mit heißer Suppe auf. Ich verwende am liebsten selbstgemachte Hühnersuppe, doch auch Gemüse- oder Rindsuppe tun ihren Dienst.

Ich verwende zum Aufgießen am liebsten Hühnersuppe – eine Schüssel davon hält einige Tage.

Nach rund 20 Minuten kommt der Rahm dazu. Dann pürieren Sie die Suppe mit dem Stabmixer. Wäre das Probelokal ein feines Restaurant, würde ich die Suppe noch durch ein engmaschiges Sieb drücken. Darauf verzichte ich im Jänner, schließlich habe ich mein Pulver an edler Küche zu Silvester verschossen. Aber abgeschmeckt werden muss in jedem Fall, es braucht noch Salz, Pfeffer und ein paar Tropfen Zitronensaft.

Für den Wasabi-Rahm gieße ich den Rahm in einen hohen Mixbecher, streue das Wasabi-Pulver und einer Prise Salz darüber und festige die Mischung mit dem Stabmixer. Das dauert nur wenige Sekunden. Zum Servieren setze ich ein Löffelchen des Wasabi-Rahms in den Suppenteller. Wer es gerne scharf mag, verfeinert noch mit etwas Cayenne-Pfeffer.

Zutaten:
Suppe: 700 Gramm Schwarzwurzeln, 1 mehlige Kartoffel, 800 Milliliter Hühnersuppe (alternativ Gemüse- oder Rindssuppe), 1 Esslöffel Butter, 150 Milliliter Rahm, 50 Milliliter Wermut (oder Weißwein), Salz, Pfeffer, 1/2 Bio-Zitrone

Wasabi-Rahm: 100 Milliliter Rahm, 1 Teelöffel Wasabi-Pulver, Prise Salz und Cayenne-Pfeffer

Musik:
Album „Idiot Prayer“ von Nick Cave, Label Bad Seed Ltd.

„Mi Burrito Sabanero“ ist auf Calexicos Weihnachtsalbum „Seasonal Shift“ enthalten (siehe Rezeptgeschichte vom Dezember 2020) – einmal sogar als „Zugabe“ mit den sympathischen Weihnachtsgrüßen der Musiker.

Post Author: Dan

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